Downtown Blues
gleitet über mich, bekundet höfliches Desinteresse. »Wer ist deine neue Freundin?«
Sie weiß, wie man »neu« betonen muss, ohne sein Gesicht zu verlieren. Gott gab den reichen Mädchen seidene Ginzo-Veldo-Kleider, einen Designer-Body und ein verführerisches Lachen.
»Eine Freundin.« Dasselbe unwiderstehliche Grinsen für sie. Er zieht mich auf den freien Stuhl an seiner Seite. »Ihr habt einen gemeinsamen Bekannten, vielleicht solltet ihr euch mal unterhalten.«
»Einen gemeinsamen Bekannten?« Amüsierter Unglaube. Wo könnte die Schnittstelle zwischen ihrer Welt und dieser verschwitzen, unsicheren Frau liegen? Brauen fragend gehoben, streift mich ein zweiter Blick.
»W.J.«
Nur zwei Buchstaben, doch jetzt ist sie eindeutig interessiert. Ihre nervösen Finger zerkrümeln eine »Golden Blend«, schütteln eine zweite aus dem Päckchen. Eine zornige Lady, sagte Del. Doch etwas hat den Zorn wie diese Zigarette zerdrückt. Zurück bleibt nur Resignation, unterdrückte Angst und eine Überlebende. Süßer Rauch kräuselt sich über dem Tisch.
»Wirklich seltsam.« Sie lacht wieder, etwas zu laut, atemlos. »Die Zeiten haben sich geändert.«
Ich weiß, sie redet nicht mit mir, sie spricht mit der Vergangenheit, mit Bru. Doch ich brauch keine weiteren Glückskeks-Weisheiten, ich brauche Informationen.
»Typen wie die Warrings, die ändern sich nie«, sag ich brutal.
»Falsch.« Sie kichert. »Gib wohl keinen in der City, der sich so verändert hat wie W.J., hat sich wegverändert.«
»Was soll das heißen?«
»Wegverändert. Puff, verschwunden, unsichtbar geworden«, ihre Stimme wird undeutlich, »wie Sternenstaub.«
»Stardust?« Bru beugt sich zu ihr, seine Stimme klingt drängend. »Was weißt du über Stardust, Aranxa?«
Unwillkürlich sieht sie zu ihrem Begleiter – fast scheint Furcht in ihrem Blick zu sein. Doch als ich noch mal hinsehe, ist da nichts. Er greift nach ihrem Arm, zieht sie auf die Füße, sie taumelt kichernd gegen ihn.
»Die Señorita will gehen.«
Er drängt sich an mir vorbei, seine Hüfte drückt gegen meine Schulter, ich fühl das Holster durch den Stoff. Nur eine kleine Warnung, Chica.
»Komm, lass uns hier verschwinden, Donovan.«
Seine Worte klingen befehlend, seine Augen bitten. Zu viele Erinnerungen, Bru? Schwarze Locken auf Satinkissen, weiche Lippen, die »Stefanito« flüstern. Ich bin verwirrt, warte auf mein Stichwort, das nicht kommt. Die Nächte sind gleich, überall, wenn du rastlos und auf der Suche bist. Doch wie lautet die Antwort auf ungestellte Fragen?
Wir gehen durch die Bar. Ein Mann und eine Frau, nicht mehr. Nur eine Illusion. Ich drehe mich um. Saturn mit seinen Monden, heiß und kalt, was für ein einsamer Ort zum Sterben. Panik kriecht über meinen Nacken und ich ahne warum. Verdammt, Bru – er kennt nicht mal meinen Namen. Wer bin ich? Einfach nur Donovan, nenn mich einfach Donovan.
»Weiß sie, dass du ein Cop bist?«
»Keine Ahnung.« Er sieht überrascht aus. »Ich hab nie darüber nachgedacht.«
Ein Cop, der leichtsinnig wird, ist schon so gut wie tot, da unten in den Straßen der DWNTN. Er ist nicht mein Partner und doch mach ich mir Sorgen um ihn. Aber was soll ich machen? Er gefällt mir. Auch wenn ich mir noch nicht sicher bin, wie sehr.
Der Küstenwind treibt Nebelfetzen durch die Häuserschluchten. Vielleicht wird es regnen. Ich schmecke Meersalz auf meinen Lippen, doch das ist nur eine weitere Illusion. Die See ist viel zu weit entfernt. Downtown, drei Uhr morgens. Um diese Tageszeit könnte dies jeder Ort auf der Welt sein, möchte ich an jedem anderen Ort der Welt sein, irgendeiner Welt. Ich höre Bru neben mir atmen, spüre seine Wärme. An jedem anderen Ort? Vielleicht doch nicht. Vielleicht schweigen wir noch eine Weile – gemeinsam. Da ist auf einmal viel zu viel Nähe. Muss an der Tageszeit liegen.
Brus Stablampe zuckt über den Gehsteig, kriecht an einem umgekippten Straßenschild entlang. Unwillkürlich frage ich mich, wie weit der Lichtschein zu sehen ist. Nur noch zwei Blocks bis zur E-Street, dort wohnt Reardon, Brus Ex-Partner, Straßenwolf. Hat die C-Force verlassen, ist jetzt als Berater bei einer Sondereinheit der DCU, Prämienjobs, Kopfgeld für jeden Dealer. Keiner weiß so genau, wie weit die Befugnisse der DCU gehen, keiner will es wissen.
Ich erinner mich noch gut an Reardon. Er war mein Nahkampf-Ausbilder im CF-Camp. Hat mir mal den Arm ausgerenkt, der Mistkerl. »Los, mach mich fertig, Donovan. Bin nur
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