Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre
von mir: »War der Mann schon niedergeschlagen, bevor er die Suppe probiert hat?« Ja. Ich dachte an Jess. »Hatte der Mann einen geliebten Menschen verloren?« Ja. »Und hatte der Albatros etwas mit diesem Verlust zu tun?« Ja. »Hatte er seine Frau verloren?« Ja. »War sie auf der Reise gestorben?« Ja.
Miranda: »Hatten sie Schiffbruch erlitten?« Ja. »War sie beim Schiffbruch umgekommen?« Ja. »War der Mann auf einer verlassenen Insel gestrandet?« Ja. »Ganz allein?« Nein. »Waren sie lange Zeit gestrandet?«
»Kommt darauf an, wie man das definiert«, sagte er. »Fragen Sie gezielter.«
Ich: »Länger als einen Monat?« Nein. »Länger als eine Woche?« Ja.
Garcia: »Hatten sie Nahrungsmittel vom Schiff?« Nein. »Haben sie Fische gefangen?«
»Nein. Jedenfalls nicht genug.« Thornton hielt sich nicht ganz an die Regeln, vielleicht, weil wir so langsam waren.
Miranda: »Haben sie auf der Insel anderes Essen gegessen?« Ja. »Albatros?« Nein. »Hat der Mann gedacht, es wäre Albatros?«
Auf Thorntons Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. »Ja, hat er.«
»Gütiger Himmel«, sagte Miranda. »Kein Wunder, dass er sich umgebracht hat.«
Ich verstand gar nichts mehr. »Was?« Ich schaute von einem zum anderen. »Verzeihung, aber sind Sie beide in Wirklichkeit Zwillinge, die zwar bei der Geburt getrennt wurden, die aber eine Geheimsprache und eine seltsame Zwillingslogik haben, die nur Sie beide verstehen?«
»Die Überlebenden haben auf Kannibalismus zurückgegriffen«, sagte sie. »Sie haben seine tote Frau gekocht und ihm erzählt, es wäre Albatros.«
»Hä?«
»Aha«, sagte Garcia. »Und als er im Restaurant den Albatros probiert hat, ist ihm aufgegangen, dass er noch nie Albatros gegessen hatte, und da dämmerte ihm, dass sie auf der Insel seine Frau gegessen hatten.«
»Hm«, meinte ich. »Ich finde immer noch, der Kerl hat überreagiert.«
»Uns mag das vorkommen wie eine Überreaktion«, sagte Thornton. »Aber für ihn schien es die einzig denkbare Reaktion zu sein. Dasselbe gilt für den Iridium-Mord oder -Selbstmord. Sobald wir den Hintergrund kennen, wissen wir auch, warum diese bizarre Mordmethode gewählt wurde.« Er sah Garcia an. »Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte er. »Wir kriegen den Kerl schon, der Ihnen das angetan hat.«
Garcia schenkte Thornton ein seltsames, trauriges Lächeln. »Danke, Agent Thornton«, sagte er. »Aber den, der mir das angetan hat, habe ich bereits evisziert.«
Thornton wurde knallrot. »Wow«, sagte Miranda zu Garcia, »Sie brauchen nicht mal ein Skalpell, um einen Mann zu eviszieren.«
Der FBI-Beamte blinzelte, während er Garcias Witz und Mirandas Reaktion darauf verarbeitete. »Mann, hier kriege ich ja keinen Fuß auf den Boden«, sagte er. »Ich rufe wohl besser im Hauptquartier an und bitte sie, das A-Team runter nach Tennessee zu schicken.«
»Verdammt gute Idee«, sagte Miranda. »Aber machen Sie sich keine Sorgen. Bis die hier sind, gehen wir schonend mit Ihnen um.« Sie schenkte ihm ein Lächeln, und wieder lief Thornton rot an. Doch diesmal wirkte er um einiges fröhlicher.
8
Als Miranda, Thornton und ich das Krankenhaus verließen, war die Geschichte allmählich an die Öffentlichkeit gedrungen. Ob zu Recht oder zu Unrecht, ich machte die nervöse Krankenschwester in der Notaufnahme dafür verantwortlich. Ich sah sie förmlich vor mir, wie sie den lokalen Fernsehsender WBIR-TV oder den Knoxville News Sentinel anrief, um sich zu beklagen, dass sie und ihre Kollegen in der Notaufnahme radioaktiver Verseuchung ausgesetzt worden waren. In Wahrheit konnten neben der Krankenschwester noch eine Reihe anderer Menschen den Medien einen Tipp gegeben haben, etwa die Mitarbeiter des Leichenschauhauses (die jetzt alle auf Strahlenbelastung untersucht wurden), die Beamten der Krankenhauspolizei, selbst Kollegen von Emert in Oak Ridge.
Im Laufe des Vormittags belagerten Reporter von WBIR-TV, vom Knoxville News Sentinel und vom Oak Ridger das Universitätskrankenhaus und die Polizeidienststelle in Oak Ridge, um Informationen darüber zu erhalten, was im Leichenschauhaus vorgefallen war. Die PR-Managerin des Krankenhauses, Liz Chambers, schäumte vor Wut, dass man sie angelogen hatte. Special Agent Thornton musste ihr persönlich einen Besuch abstatten, um sie zu beruhigen, obwohl ich mir nicht sicher war, ob es die nationale Sicherheit war oder Thorntons Charme, der das Zucken in ihrem Gesicht und ihre drahtigen Halssehnen entspannte.
Liz gab
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