Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre
Johnson. »Doch auch auf die Gefahr hin, dass ich mich anhöre wie eine kaputte Schallplatte: Hätten Sie etwas dagegen, wenn wir die Strahlungsquelle in einer heißen Zelle einschließen, bis jemand vom Energieministerium hier ist? Das kommt mir doch ein wenig sicherer vor als der Flur, in dem sich das Ding im Augenblick befindet.«
Zwei Minuten später war die Lage bereinigt, und Johnson rollte die Kiste zum Fahrstuhl, um sie hinauf in eine heiße Zelle zu bringen – eine massive Kammer aus Blei und Bleiglas, die mit Roboterarmen ausgestattet war, die extra dafür gebaut war, um mit starken Radiopharmaka umzugehen, ohne die Hände und das Knochenmark von MTAs und Pharmazeuten zu gefährden.
Es war wirklich eine Schande, dass Garcia die Obduktion von Leonard Novak nicht in einer heißen Zelle durchgeführt hatte. Garcia hätte ausgesehen wie ein verrückter Wissenschaftler, der Roboterarme schwingt, um eine Leiche zu sezieren. Doch lieber ein verrückter Wissenschaftler als ein verkrüppelter oder dem Tode geweihter Arzt.
7
Ein Klopfen an meiner Bürotür ließ mich auffahren. Ich war wohl eingeschlafen. Miranda und ich waren einige Stunden bei Carmen Garcia gewesen und gegen Mitternacht ins Krankenhaus zu ihrem Mann zurückgekehrt, wo wir bis sechs Uhr geblieben waren, bis es Zeit für unsere nächste Blutabnahme war. Carmen war außer sich gewesen, als sie erfuhr, dass ihr Mann, der das Haus morgens nach dem Frühstück wie gewohnt verlassen hatte, nachdem er sich von ihr und dem Baby mit einem Kuss verabschiedet hatte, jetzt im Krankenhaus lag und seine Hände und womöglich sogar sein Leben durch eine seiner Leichen in Gefahr geraten waren, die er obduziert hatte.
Garcia arbeitete noch kein Jahr als Medical Examiner; er war aus Dallas nach Knoxville gekommen, um nach Jess Carters Ermordung deren Stelle zu übernehmen. Anfangs hatte ich Garcia nicht besonders gemocht, ich hatte ihn pedantisch und herablassend gefunden, doch ich hatte bald erkannt, dass das, was ich als Pedanterie missverstanden hatte, eigentlich nur ein äußerer Anstrich von Förmlichkeit war, vielleicht sogar Schüchternheit. Er war ein schmächtiger, gutaussehender Mann, aufgewachsen in einer wohlhabenden Familie in Mexico-City, bevor man ihn in die USA aufs College und auf die Medizinische Fakultät geschickt hatte. Seine Frau Carmen war eine kolumbianische Schönheit, und ihre lateinamerikanischen Gene hatten zusammen ein wunderbares Kind hervorgebracht, Tomas, mit dichten, schwarzen Locken und riesigen braunen Augen. Miranda passte inzwischen einmal die Woche abends auf den Kleinen auf. Sie behauptete, sie wolle den geplagten Eltern die Möglichkeit geben, sich im Restaurant und Kino zu entspannen, aber ich hatte eher den Verdacht, dass sie schlichtweg vernarrt war in den Kleinen.
Wieder klopfte es; wieder schreckte ich hoch. Ich war nach dem ersten Klopfen tatsächlich noch einmal eingenickt. »Tut mir leid«, sagte ich und rieb mir die Augen. »Herein.«
»Wie geht es Dr. Garcia?«
»Das lässt sich noch nicht sagen«, antwortete ich, inzwischen munter geworden. »Aber es sieht nicht gut aus. Sind Sie Special Agent Thornton?«
»Ja, Sir. Charles Thornton.«
Er trat in mein Büro und begrüßte mich mit festem Händedruck. Thornton war groß und schlaksig, an die ein Meter neunzig und fünfundneunzig, vielleicht auch hundert Kilo schwer, denn er schien einiges an Muskelmasse an seinem Skelett zu tragen. Sein rotblondes Haar war kurz geschnitten, doch er schien mir ein wenig eitel zu sein, denn er hatte sich Strähnchen machen lassen und auch nicht mit Styling-Gel gespart. Und dann die Krawatte: Er trug eine, aber er trug sie locker, wie einen nachträglichen Einfall oder einen ironischen Kommentar, als könnte er sie jederzeit ablegen. Die Krawatte war mit einem abstrakten Muster bedruckt, das entweder das Werk eines genialen Künstlers war oder das eines Zweitklässlers. Der Typ war fast ein Bulle, aber nicht ganz. Zu metrosexuell, falls ich den Begriff richtig verstanden hatte. Ich konnte mir vorstellen, dass einige seiner eher konservativen Kollegen beim FBI seine Garderobe mit Argwohn betrachteten.
Thornton sah sich in meinem Büro um, musterte die schmutzigen Fenster, das Gitterwerk aus sich überkreuzenden Trägern draußen und die Schädel drinnen auf dem breiten Fensterbrett. »Ich freue mich sehr, Sie kennenzulernen, Sir. Ich habe schon viel über die Body Farm gehört, von den forensischen Bergungsmannschaften, die
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