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Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre

Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre

Titel: Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
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eine große vegetarische Pizza Speziale und ein Bier wert ist?«
    »Wenn Sie anderer Meinung sind«, sagte sie, »teilen wir die Rechnung.«
    Sie zog eine Handvoll Servietten aus dem Spender, der an der Wand stand – dünne, hauchzarte Servietten, die eher geeignet waren, einen Brotkrümel von einer gepuderten Wange zu tupfen, als Fett und Soße aufzusaugen –, und wischte damit den Tisch ab. Dann griff sie in ihre Umhängetasche und holte eine Zeitschrift heraus, auf deren Umschlag ORNL Review stand. Ich hatte eine oder zwei Ausgaben davon gesehen; sie wurde vom Oak Ridge National Laboratory herausgegeben und enthielt eine bunte Mischung an Artikeln – einige oberflächlich, andere fachlich viel zu hoch für mich –, die einen Überblick darüber boten, was man heutzutage in den Bereichen Wissenschaft und Energie für eine Milliarde Dollar bekam. Deine Steuer-Dollar bei der Arbeit, dachte ich immer, wenn ich auf eine Ausgabe der Zeitschrift stieß. Aber lieber in Oak Ridge und lieber im Dienste der Wissenschaft als an vielen anderen Orten, die mir da spontan einfielen.
    Sie schlug die Zeitschrift auf, und ich sah, dass zwischen den Seiten ein Abzug von Novaks Foto steckte. Sie drehte die Zeitschrift und das Foto zu mir hin, und zwar so, dass das Foto eine der Doppelseiten verdeckte – vermutlich, um es besonders spannend zu machen. Das war für mich in Ordnung, ich genoss das hier. Es kam mir vor wie ein Tanz, es war das Intimste, was ich getan hatte, seit ich Jess, die ich geliebt hatte, vor noch nicht mal einem Jahr verloren hatte.
    »Das ist also Ihr Foto«, sagte sie. »Nicht viele Anhaltspunkte. Wald, Hügel, Scheune. Das hilft hier im Osten von Tennessee wenig, um die Sache einzugrenzen.« Bekümmert schüttelte ich den Kopf, um anzudeuten, dass ich wusste, dass die Sache hoffnungslos war, dass es eines Wunders oder eines Genies bedurfte, oder beides, um dieses Rätsel zu lösen. »Ich tue so, als würde ich nicht merken, dass Sie sich über mich lustig machen«, sagte sie. Ich lachte, und sie stimmte ein. »Egal. Nachdem Sie weg waren, habe ich mir das hier immer wieder angeschaut, und mir war, als hätte ich die Scheune schon mal gesehen. Klar, wenn man etwas nur lange genug anstarrt, spielt einem das Hirn solche Streiche, nicht?« Ich nickte, doch diesmal nicht neckend, denn ich hatte gemerkt, dass ich sie anstarrte, und mein Hirn spielte mir just in diesem Augenblick auch so seine Streiche. »Also. Ich habe einige Stammkunden, regelmäßige Besucher, die gern im Oak-Ridge-Raum herumhängen. Hauptsächlich alte Leute, Menschen, die all das miterlebt haben, was wir in den Regalen archivieren. Sie schwelgen gern in Erinnerungen.«
    »Klar«, sagte ich. »Mich fasziniert es auch, dabei ist es nicht mal meine Geschichte.«
    »Genau«, sagte sie. »Also, zu meinen Stammkunden, oh, hören Sie bloß auf«, schalt sie mich und versetzte mir einen sanften Tritt, weil ich schon wieder mit den Augenbrauen wackelte, »zu meinen Stammkunden gehörte auch Ed Westcott, der Fotograf, der die ganzen Fotos in den Aktenordnern gemacht hat. Seine Aufgabe war es, alles zu dokumentieren, das Manhattan-Projekt für die Nachwelt auf Film zu bannen. Im Gegensatz zu anderen – mit Ausnahme vielleicht von General Groves und Colonel Nichols – konnte Westcott sich überall frei bewegen, sich ansehen, was ihn interessierte, und nach Lust und Laune alles fotografieren. Ziemlich erstaunlich, wenn man darüber nachdenkt. Er hatte vor zwei Jahren einen Schlaganfall, und er hat Probleme mit dem Sprechen, also kommt er nicht mehr oft in die Stadtbücherei. Aber er ist vollkommen klar im Kopf, und er schreibt E-Mails. Also habe ich ihm Ihr Foto per E-Mail geschickt. Und Ray Smith, der für zwei Zeitungen Kolumnen über die Geschichte von Oak Ridge schreibt. Ich dachte, wenn jemand die Scheune wiedererkennt, dann entweder Ray oder Ed.« Sie machte eine Pause und lehnte sich zurück, um meine Reaktion auf das, was sie bislang gesagt hatte, abzuwarten.
    Vielleicht lehnte sie sich auch nur zurück, damit der Highschool-Junge unsere Getränke auf den Tisch stellen konnte. Meine Cola wurde in einem Pappbecher serviert, ihr Bier in einem beschlagenen Glaskrug. Big Ed oder seine Nachfolger fanden offensichtlich, Bier stehe in der Getränkerangliste höher als Cola. Sie hob den Krug, also hob auch ich meinen Becher zum Toast. »Auf die historische Detektivarbeit«, sagte ich, und wir stießen an. Der Pappbecher brachte weder ein

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