Dr. Gordon wird Vater
erschien Major Marston in meiner Sprechstunde; er klagte
über Schwindelanfälle und Hitzegefühle in seinem Hinterkopf.
Major Marston hatte himmelblaue Augen,
einen tischbesenartigen Schnurrbart und eine Vorliebe für Klubarmbänder und
Wildlederschuhe; Nicky und ich waren mit ihm sowohl gesellschaftlich wie
beruflich wohlbekannt. Er war Mitglied des Stadtrats von Hampden Cross und ein
erfolgreicher Baumeister, was man allgemein als ein glückliches Zusammenspiel
von Ursache und Wirkung auffaßte. Er und seine hübsche rothaarige Frau wohnten
am entgegengesetzten Ende der Stadt in einem modernen Haus mit zwei Pudeln und
zwei Fernsehapparaten, die sie alle vier äußerst gern zu haben schienen. Wir
waren bei etlichen ihrer Cocktailparties gewesen — sie nahmen eine führende
Stellung innerhalb der tonangebenden Schicht in mittleren Jahren ein —, und ich
war erstaunt, Major Marston im Zuge einer kurzen, aber elementaren
psychoanalytischen Befragung äußern zu hören, seine Frau habe ihre Sachen
gepackt und ihn verlassen.
«Bleibt mir halt nichts anderes übrig,
als mich damit abzufinden, Doc», sagte er. Er straffte die Schulterpartie
seines Blazers. «Diane zieht einfach den andern vor — ich nenne keinen Namen,
bitte sehr —, da kann man nichts machen. Wir stehen der ganzen Sache
selbstverständlich durchaus einsichtsvoll gegenüber. Was bleibt einem schon
anderes übrig? Ich unternehme eine kleine Ferienreise — um, wenn möglich,
Vergessen zu finden.»
«Ihren Kopfschmerzen wird das sicher
gut tun.»
«Nachher werde ich wohl in eine dieser
neuen Wohnungen übersiedeln, die wir bauen. Kann nicht mehr in meiner alten
bleiben, inmitten all dieser Dinge, mit denen ich sie umgeben habe, sie
erinnern mich zu sehr —»
Er brachte seine seelische
Erschütterung dadurch zum Ausdruck, daß er sich mit einer ruckartigen Bewegung
unsichtbaren Schaum von seinem Schnurrbart wischte.
«Hören Sie», unterbrach ich ihn hastig,
«ich möchte mich keineswegs in Ihre Angelegenheiten mengen und am
allerwenigsten aus Ihrem Unglück etwas herausschlagen, und ich verstoße
wahrscheinlich höchlichst gegen meine Berufsehre, aber... ja also, wenn Sie mir
für eine Weile Ihr Haus möbliert vermieten wollten, wäre ich Ihnen äußerst
dankbar.»
«Sehr korrekt von Ihnen», sagte er mit
dem verständlichen Zögern jemandes, der Gegenstände von großem Gefühlswert in
die Hände verhältnismäßig fremder Leute übergehen sieht. «Habe übrigens sowas
läuten hören, daß Sie sich nach einer Wohnung Umsehen.»
Zu meiner großen Freude erklärte er
sich rasch einverstanden.
«Sie werden doch vollste Diskretion
wahren, Doc?» fragte er, nachdem wir handelseins geworden waren. «Muß mich
darauf verlassen können. Möchte nicht haben, daß eine solche Sache
herumtrompetet wird. Schlecht fürs Geschäft.»
«Ich werde nicht ein Wort mehr als
notwendig sagen, verlassen Sie sich darauf. Und hier eine Anweisung auf
Phenobarbiton — vielleicht erleichtert es Ihnen ein bißchen den Druck.»
«Aber das ist ja herrlich!» rief Nicky,
als ich ihr das Ganze erzählte. «Zumindest werden wir ein Fleckchen haben, wo
wir in Ruhe atmen können.»
«Und nun können wir das Baby tadellos
daheim kriegen. Selbst wenn das Heim nicht uns gehört.»
Nicky zögerte. «Hoffentlich geht die
Sache in Ordnung?»
«In Ordnung? Warum sollte sie zum
Teufel nicht in Ordnung gehen?»
«Ich meine nur, alles ist so beiläufig
abgewickelt worden. Wollte er denn keine Bestandsaufnahme oder so was
Ähnliches?»
«Ach, der arme Kerl war viel zu erregt,
um all ihr Hab und Gut durchzugehen. Und er meinte, Verträge und solches Zeug
dienen nur dazu, den Notaren die Tasche zu füllen — schließlich sollte er sich
als Bauunternehmer da auskennen. Wir haben nur wie Gentlemen einen Händedruck
gewechselt, und ich stellte ihm einen Scheck für die Miete des ersten Quartals
aus.»
«Meiner weiblichen Intuition kommt das
alles ein bißchen merkwürdig vor», sagte Nicky mit leichtem Stirnrunzeln.
«Mir nicht, seit wir mit angesehen
haben, wie sich dieses Frauenzimmer bei ihren Parties aufgeführt hat. Weißt du,
sie war schon schrecklich verflirtet. Erinnerst du dich an die peinliche Affäre
mit dem Eisenwarenhändler? Sie ist ja gewiß sehr anziehend.»
«Sie ist gewiß sehr schlank», sagte Nicky und blickte sehnsüchtig auf ihre Taillengegend.
«Laß uns jedenfalls selbstsüchtig sein
und hoffen, daß sie sich nicht wieder versöhnen», schloß ich
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