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Dr. med. Erika Werner

Dr. med. Erika Werner

Titel: Dr. med. Erika Werner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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erobert. Durch Fleiß, durch Können, durch Rücksichtslosigkeit – ja, auch die war dabei – und durch fleißiges Beifallsnicken bei den Vorgesetzten. Und Sie beneiden mich nicht?«
    »Nein.«
    »Dann sind Sie klüger als ich dachte, liebe Kollegin. Wer mich beneidet, ist ein blinder Idiot.« Er strich sich über sein zerknittertes Gesicht. Es war eine hilflose Geste, die Erika erschreckte. »Wissen Sie, wie einsam ich bin?«
    »Sie sollten das Ihrem Fräulein Braut sagen, Herr Oberarzt …«
    »Sie würde es nie verstehen.«
    »Und von mir erwarten Sie dieses Verständnis? Warum eigentlich?«
    »Ich weiß nicht.« Er hob die Schultern. »Ich habe jetzt drei Tage gebraucht, um mir darüber klarzuwerden, daß Sie und mich andere Dinge verbinden als nur die gemeinsame Arbeit an der Blutforschung.«
    »Das dürfte eine Täuschung sein, Herr Oberarzt.«
    »Ja – wenn man sich selbst belügt.«
    Dr. Bornholm stieß sich von der Tür ab und kam in den Raum. Erika ging um den Tisch herum, als habe sie Angst, er könnte sie fassen und an sich ziehen. »Ich muß morgen wieder nach unserem Hofbesitzer sehen. Dem Riesen mit dem Tod im Körper. Ich wollte Sie einladen, mitzukommen …«
    »Wenn Sie mich brauchen, Herr Oberarzt –«
    »Ja! Ich brauche Sie!« rief er laut.
    »Soll ich Nachtzeug mitnehmen … für die Hütte?«
    Bornholm sah Erika wie ein verwundetes Tier an. Wortlos wandte er sich ab und verließ das Zimmer. Als er die Tür hinter sich zuschlug, warf sie die Hände vor ihr Gesicht und weinte. »Wie gemein …«, stammelte sie. »Wie gemein von mir … aber ich werfe mich nicht an seinen Hals … und wenn ich noch so glücklich dabei wäre –«
    Wenig später summte der Haussprechapparat. Erika meldete sich. Die Stimme Dr. Bornholms, nüchtern, befehlend, ganz Oberarzt.
    »Morgen mittag gegen 12 Uhr halten Sie sich für den ambulanten Besuch bereit, Fräulein Werner.«
    »Ich werde es notieren, Herr Oberarzt.«
    »Besondere Vorkommnisse?«
    »Keine.«
    »Danke.«
    Es knackte, das Summen erstarb. Erika drückte die Antworttaste hoch. Sie legte die Hand um das Mikrophon und streichelte es. Dann beugte sie sich nahe zu ihm herunter.
    »Ich liebe dich«, sagte sie laut.
    Es war ihr wie eine Erlösung. Alle Bedrückung fiel von ihr ab. Sie fühlte sich frei und merkwürdig glücklich.
    Der Riese mit dem tödlichen Karzinom im Körper empfing sie wieder mit lauter Stimme und mit einer Enzianflasche. Er ließ es sich nicht nehmen, daß sie mit ihm zu Mittag aßen … kindskopfgroße Leberknödel mit Weinkraut und gebratenem Dickbein. Hinterher gab es einen zünftigen Sahnepudding und wieder ein paar hohe, schlanke Gläser Enzian.
    »Dös is vom gelben Enzian!« brüllte der Bauer. »Der zieht's einen vom Stuhl … Prost miteinand'!«
    Dr. Bornholm untersuchte den Bären gründlich. Er hatte vor der Abfahrt noch einmal die letzten Röntgenbilder durchgesehen. Jetzt konnte er die Verdickungen in der Leber deutlich tasten. Unaufhaltsam wuchsen die Metastasen. Es war sinnlos, dem Riesen zu sagen, er dürfe weder Alkohol trinken noch so voluminös essen … die paar Monate, die er noch aufrecht durchs Leben ging, sollte man ihm die Freude am guten Leben gönnen. Was später kam … Dr. Bornholm packte seine Tasche mit dem Blutdruckmesser, dem Membranstethoskop und dem Perkussionshammer wieder ein.
    »Na?« rief der Riese. »Was sagen's nu? Da ist noch Saft im alten Stamm, was?!«
    Bornholm nickte. »Weiter so. Ich bin ganz zufrieden mit Ihnen.«
    Der Bauer gab ihnen noch ein dickes Paket Kuchen mit auf den Weg. Er winkte dem Wagen nach und ging dann in den Stadel, um Winterholzscheite zu hacken.
    Langsam fuhr Bornholm den nahen Bergen entgegen. Sein Gesicht war wie gelöst von einer Verkrampfung. Je näher sie den steilen Wänden kamen, den schneebedeckten Gipfeln und den rauschenden, durch Felsschluchten ins Tal stürzenden Wildbächen, um so fröhlicher wurde er. Es war, als falle eine den Körper erstickende Haut von ihm ab, als könne er auf einmal freier atmen und das Herz richtig schlagen lassen.
    Wieder schraubten sie sich den steilen, engen Bergpfad hinauf, vorbei an steilen Abgründen, in die Erika nicht hinabzublicken wagte. Sie stießen durch die tief hängenden Wolken hindurch in die strahlendste Sonne, einen azurblauen Himmel über sich, unter dem zwei Adler lautlos mit weit ausgespannten Flügeln segelten.
    »Hier hört die Menschheit auf … hier fühle ich mich wohl!« sagte Dr. Bornholm und hielt den

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