Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dr. med. Erika Werner

Dr. med. Erika Werner

Titel: Dr. med. Erika Werner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Haltung regte ihn auf. Heule doch, dachte er. Zeige Zerknirschung, aber steh nicht da, als habest du recht!
    Erika schüttelte den Kopf. »Jetzt, wo alles vorbei ist, weiß ich auch, was ich hätte tun müssen. Aber in der Nacht, mitten aus dem tiefsten Schlaf gerissen, in einer solchen Situation, wo einem ein Toter entgegenfällt … da habe ich einfach die Nerven verloren …«
    »Das alte Lied!« schrie Professor Rahtenau. »Meine Damen haben Nerven! Als Ärztinnen – Nerven! Werden Sie doch alles andere, von mir aus kriegen Sie zehn Kinder … aber lassen Sie die Finger vom Arztberuf, wenn Ihnen die Nerven durchgehen! Solch eine Sauerei! Was soll ich jetzt den Hinterbliebenen sagen?«
    Es klopfte kurz. Rahtenau sah auf. Dr. Alf Bornholm stürzte ins Zimmer. Er sah wie verwüstet aus. Der Alkohol lag noch in seinen rotumränderten Augen. Er blickte kurz zu Erika und warf dann den Kopf zu Rahtenau herum.
    »Guten Morgen, Schwiegerpapa!« sagte er laut. Rahtenau trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte. »Ich höre gerade, was hier geschehen sein soll … Unglaublich! Sie müssen mir das genau erklären, Fräulein Werner –«
    »Das hat sie bereits! Es ist zum Haareausraufen! Rollt die Tote ohne Zeugen einfach in den Eiskeller! Hast du schon jemals so etwas Verrücktes gehört?!«
    »Ich nehme an, Fräulein Werner hat die Nerven verloren.«
    »Genau das! Und so was nennt sich Ärztin!« Professor Rahtenau hieb mit der Faust auf den Schreibtisch. Sein Gesicht war gerötet. »Wenn das der Presse bekannt wird … ich darf gar nicht daran denken! Wie ist das Mädchen denn ins Haus gekommen?«
    »Das müssen wir eben klären.« Bornholm drückte auf die Tasten der Haussprechanlage. »Das ganze Nachtpersonal zum Chef!« rief er herrisch. »Aber schnell!«
    »Wir müssen eine Obduktion machen, Alf.« Rahtenau erhob sich und ging unruhig im Zimmer auf und ab. »Wenn es eine Vergiftung war oder sonst etwas! Herztod … das kann jeder sagen! Wer die Nerven verliert, dem nehme ich keine Diagnose ab!«
    »Ich werde die Obduktion selbst machen«, sagte Dr. Bornholm. »Und zwar sofort. Wo ist die Tote?«
    »In der Kapelle.«
    Bornholm drückte wieder eine Taste des Sprechapparates herunter. »Die Leiche von Fräulein Herwarth sofort in das Obduktionszimmer!«
    Der Finger Rahtenaus stieß gegen Erika Werner. »Und Sie sezieren mit!« rief er. »Lernen Sie Diagnose. Und wenn es kein Herztod war …«
    Die Fortsetzung des Satzes blieb unausgesprochen, aber Erika wußte, was er enthielt. Bornholm winkte ihr zu.
    »Gehen wir. Und auf dem Wege erzählen Sie mir noch einmal die wundersame Geschichte …«
    Erika war froh, aus dem Blick Rahtenaus entfliehen zu können. Im Aufzug, der sie abwärts zum Sezierraum führte, küßte Bornholm sie auf die Schläfe.
    »War es schlimm?« fragte er.
    »Grausam, Alf … Gut, daß du gekommen bist. Ich hatte kaum noch Kraft, durchzustehen.«
    »Nun ist ja alles vorbei und gut.« Er streichelte über ihr Haar und legte den Arm um ihre bebende Schulter. »Hast du alles so gemacht, wie ich dir gesagt habe?«
    »Ja. Ich habe bei der Aufbahrung mitgeholfen und verhindert, daß man den Leibschnitt sah.«
    »Hast du den Vater angerufen?«
    »Nein. Noch nicht. Ich konnte es nicht. Der 2. Oberarzt begann sofort mit den Verhören. Dann kam der Chef …«
    Bornholm biß sich auf die Unterlippe. Er tat es immer, wenn er nachdachte. Noch wußte also der Architekt Herwarth nicht, daß seine einzige Tochter Helga kalt und starr im Keller der Klinik lag. Es waren damit Stunden gewonnen, die jede Gefahr ausschlossen. Sogar einen Obduktionsbefund konnte man jetzt vorweisen. Es war niemand da, der diesen Befund eines Dozenten der Universitätsklinik anzweifeln würde.
    »Es war gut so, Liebes«, sagte Bornholm. Bevor der Fahrstuhl hielt und er die Tür öffnete, küßte er Erika noch einmal. Sie umklammerte ihn und hatte die ganze schreckliche Qual der vergangenen Stunden in ihren Augen.
    »Wenn man entdeckt, Alf … Wenn man … Ich habe solche Angst …«
    »Niemand wird etwas entdecken. Nach der Obduktion ist es sowieso unmöglich. Wir werden den Körper wie in der Pathologie genau sezieren. Auch der Leibschnitt gehört dazu. Die Fäden werden wir ziehen. Es kann überhaupt nichts mehr passieren!«
    Im Keller wartete der Leichenwärter mit der zugedeckten Bahre. Unter dem Leichentuch hingen die langen schwarzen Haare des Mädchens fast bis zur Erde herab. Erika biß die Zähne fest zusammen.
    »Alles klar?«

Weitere Kostenlose Bücher