Dr. med. Erika Werner
lügen, dachte Kommissar Flecken. Und ich ahne auch, warum.
»Woran starb Helga Herwarth?« fragte er laut und hart.
»Der Obduktionsbefund liegt vor.«
Kommissar Flecken nickte. »Ich habe ihn gelesen. Und Sie haben dazu nichts zu sagen?«
»Nein!«
»Auch nicht, wenn der Befund völlig falsch ist?«
»Das kann nicht sein!«
»Sie haben geschrieben: Herzinsuffizienz! Aber Sie wissen – wie jeder jetzt hier im Haus –, daß Fräulein Herwarth verblutet ist. Verblutet durch einen Eingriff, der allein schon durch Paragraph zweihundertachtzehn strafbar ist!«
Erika Werner starrte Kommissar Flecken kampfbereit an. Sie dachte an die Worte Alf Bornholms: Hilf mir! Es geht nicht allein um meine große Zukunft … es geht auch um uns. Nimm es auf dich, wenn es sein muß …
»Ist eine hämodynamische Herzinsuffizienz nicht bei einem Verbluten gegeben?« fragte sie laut. Kommissar Flecken stützte den Kopf in beide Hände.
»Das ist doch wohl eine alberne Wortspielerei, nicht wahr?«
»Ich habe lediglich die Todesursache …« Ein Wink Fleckens schnitt Erika Werner weitere Worte ab.
»Reden wir nicht drum herum, Fräulein Dr. Werner! Wer hat den verbotenen Eingriff unternommen? Es ist festgestellt worden, daß in der Nacht von Samstag auf Sonntag im OP III operiert wurde. Es fehlen fünf Blutkonserven der Blutgruppe B 1. Die gleiche Blutgruppe hatte Fräulein Herwarth. Man hat also verzweifelt versucht, die Blutung zu stillen und neues Blut in den Kreislauf zu bringen. Das sind Tatsachen. Ebenso eindeutig ist, daß Oberarzt Doktor Bornholm –«
»Doktor Bornholm hat mit der ganzen Sache nichts zu tun!« sagte Erika laut. Kommissar Flecken nickte wieder mehrmals. Dachte ich mir, sollte das heißen. Hier haben wir den Schlüssel, und ich werde ihn jetzt umdrehen und die Tür weit, ganz weit öffnen. Damit haben wir den Fall gelöst.
»Wenn Doktor Bornholm mit dem Eingriff nichts zu tun hat – ich will es Ihnen glauben –, so ist er doch der unmittelbare Anlaß der strafbaren Handlung und damit des Todes von Fräulein Herwarth.« Flecken machte eine kleine Kunstpause, und dann knallte er die Worte auf Erika Werner, als seien es Fausthiebe, die sie vom Stuhl schlagen sollten.
»Doktor Bornholm ist der Vater des werdenden Kindes! Helga Herwarth war seine Geliebte!«
Erika Werner schloß die Augen. Sie umklammerte den Stuhl an der Sitzfläche und bohrte die Nägel in das Holz. Darum, durchjagte es sie siedend heiß. Die Verzweiflung, das Flehen, das Jammern nach Hilfe, der Zusammenbruch aller Männlichkeit bei ihm. Darum dieses wimmernde Bündel Mensch, das mit blutbesudelten Händen sie anflehte, ihn nicht allein zu lassen.
»Nun?« fragte die Stimme Fleckens in ihre Gedanken hinein.
»Ich kann nichts sagen«, antwortete sie leise.
»Sie verweigern die Aussage?«
»Ja.«
»Sie wissen, daß Sie sich damit über das Maß Ihrer bisherigen Schuld hinaus verdächtig machen?«
»Ich weiß …«
»Wenn Sie glauben, mit Ihrer Aussageverweigerung Doktor Bornholm zu helfen, so irren Sie sich. Die Beweise gegen Bornholm sind erdrückend –«
Ein schwaches Lächeln glitt über das Gesicht Erikas. Es machte es fast lieblich, und Kommissar Flecken hatte plötzlich die Empfindung, diesen ihm noch unbekannten Dr. Bornholm hassen zu müssen, weil er ein so gläubiges Mädchen berechnend in das unabwendbare Unglück stürzte.
»Sie bluffen, Herr Kommissar!« sagte Erika. »Aber nicht mich, Sie wissen gar nichts … Ich wiederhole immer nur: Doktor Bornholm hat nichts damit zu tun! Das Mädchen ist bei mir gestorben …«
»Im OP oder auf der Station?«
»Ich verweigere die Aussage!«
»Sie haben sie operiert?!«
»Ich verweigere die Aussage!«
»Wer hat die Bluttransfusion gegeben? Wer hat Ihnen geholfen? Wer hat Fräulein Herwarth nachts in die Klinik gelassen?«
»Das herauszufinden, ist Ihre Aufgabe, Herr Kommissar!«
»Ich weiß es bereits!« schrie Flecken wütend. »Doktor Bornholm!«
»Nein!« Erika schüttelte langsam den Kopf. »Der Herr Oberarzt war ja gar nicht im Haus! Er kam ja erst gegen Mittag in die Klinik –«
Kommissar Flecken hob die Schultern. Noch einmal sah er auf die junge Ärztin, auf die verkniffenen Lippen, auf das schmale, blasse Gesicht, in die starren, glanzlosen Augen. Er wartete über drei Minuten auf eine Äußerung … drei Minuten war es still im Raum, so still, daß man die Atemzüge der vier stummen Menschen hören konnte. Dann legte Kommissar Flecken beide Hände auf die
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