Dr. med. Erika Werner
Fräulein Werner fragen.«
Theo Flecken legte die Hände auf die gepolsterten Sessellehnen. Er hatte den Drang, aufzuspringen und in das schmale, braungebrannte, kantige Gesicht mit den graumelierten Haaren zu schlagen. Immer und immer wieder, und bei jedem Schlag zu brüllen: Du Lump! Du Saukerl! Diese Erika glaubt an dich, und du opferst sie mit einer Eleganz, als spieltest du beim Pokern eine Trumpfkarte aus.
»Wir kennen den Vater des Kindes, das nicht zur Welt kommen sollte!« sagte er grob.
»Ach!«
Flecken sah, wie unter der glatten Maske die Sicherheit Bornholms wieder abbröckelte.
»Ja – ach! Das ist bedauerlich für manche! Fräulein Herwarth hat ein Tagebuch geführt und einen Brief an ihren Vater hinterlassen, als habe sie das Kommende geahnt. Der Brief schließt mit dem Satz« – Flecken holte das Papier aus seiner Tasche und entfaltete es – »›… wenn ich nicht wiederkomme, ist etwas Schreckliches geschehen. Dann gehe zu Dozent …‹«
Flecken machte eine Pause und sah zu Bornholm empor. Dessen Gesicht war fahlweiß geworden.
»Sie werden doch nicht …«, murmelte er. »Aufgrund eines solchen Geschreibsels … Ich bitte Sie –«
»Ich bitte Sie, nein, ich ersuche Sie, endlich die Wahrheit zu sagen!« Kommissar Flecken war aufgesprungen. »Was soll dieses Versteckspielen?! Sie sind der Vater des Kindes, Sie hatten jedes Interesse daran, daß es nicht zur Welt kam, erstens, weil Sie Fräulein Herwarth nie heiraten wollten, zweitens, weil Sie sich mit Fräulein Rahtenau verlobt hatten, drittens, weil Ihre Karriere durch einen Skandal gefährdet war und viertens, weil Sie mit Recht fürchteten, daß Professor Rahtenau eindeutige Konsequenzen ziehen würde! Sie haben daraufhin Helga Herwarth in der Nacht zu sich bestellt, haben den Eingriff unternommen, der wider Erwarten durch eine Ihnen unbekannte Komplikation in dem Uterus mißlang, Sie haben Ihre neueste Geliebte, Fräulein Doktor Werner eingeschaltet, um zu retten, was noch zu retten war, aber es war schon zu spät. Und nun gestehen Sie –«
»Was?« Dr. Bornholm sah fast angeekelt auf den Kommissar herab. Er entzündete ein Streichholz und steckte sich eine Zigarette an. »Ihre amerikanische Kriminalstory soll ich anerkennen?! Sind Sie verrückt? Und diesen sogenannten ›letzten Brief‹ lassen Sie als Beweismaterial zu? Haben Sie, bevor Sie mich in solch grober Art verdächtigen, einmal das Leben der Verstorbenen überprüft? Sicher nicht! Ein Engel – so rein! Soll ich Ihnen sagen, was Helga Herwarth war? Ein kleines Biest, ein Männerfresser, eine tolle Füchsin, die in jeden Bau kroch, der nach Begattung roch! Glauben Sie, ich identifiziere mich mit dem Kind? Wenn sonst nie, so ist es bei Helga berechtigt gewesen, wenn ich den Schutz des – wie sagt ihr Juristen immer – das Mehrverkehrs in Anspruch nehme. Jeder könnte der Vater sein, jeder der Männer, zu denen sie unter die Daunen kroch. Wie können Sie daraus gerade für mich die Begründung eines Verbrechens herleiten? Was ich zugebe, und dazu stehe ich, ist die Tatsache, daß ich Fräulein Doktor Werner mit einer unrichtigen Obduktion zu schützen versuchte. Die Begründung dieser Tat liegt im privaten Bereich.« Er sah Theo Flecken fast triumphierend an. »Was wollen Sie noch mehr, Herr Kommissar?«
»Nichts! Da wir allein sind und keiner uns zuhört, kann ich Ihnen sagen, daß Sie in meinen Augen ein Schwein sind!«
Bornholm lächelte böse. »Da wir allein sind … gut. In meinen Augen sind Sie ein Rindvieh. Das gleicht sich aus. Noch etwas, Herr Kommissar?«
»J a! ich verhafte Sie wegen Tötungsverdachts an Helga Herwarth.«
»Das kann Sie Ihre Karriere kosten!« sagte Bornholm heiser.
»Sie ist nicht so umfangreich wie die Ihre. Es lohnt sich nicht, für sie andere vorzuschieben …«
»Wie Sie meinen. Kann ich meine persönlichen Dinge noch regeln? Ich möchte meine Braut noch anrufen und Fräulein Werner …«
»Sie ist bereits im Untersuchungsgefängnis.«
»Mit einer Stunde Freiheit komme ich aus …«
»Nutzen Sie sie gut.« Kommissar Flecken verließ das Chefzimmer. Im Flur stand ein anderer Beamter in Zivil. Er verstand den Blick Fleckens und stellte sich vor die Tür.
Dr. Bornholm ließ sich in einen Sessel fallen, als Kommissar Flecken das Zimmer verlassen hatte. Mit zitternden Fingern riß er ein Streichholz an und rauchte hastig eine neue Zigarette.
Helga hatte einen letzten Brief geschrieben. Sein Name war genannt. Er konnte alles leugnen
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