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Dr. med. Erika Werner

Dr. med. Erika Werner

Titel: Dr. med. Erika Werner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Ihren Schmerz. Ich habe selbst eine Tochter, die ich über alles liebe …« Professor Rahtenau setzte sich vor Herwarth auf einen Hocker. Sein schneller herrischer Blick scheuchte die Assistenzärzte und Pfleger aus dem Zimmer. Als sie allein waren, beugte sich Rahtenau zu dem Architekten vor.
    »So, jetzt sind wir unter uns, ganz allein. Väter unter sich. Sprechen wir uns aus …«
    »Er hat sie getötet …« Es war ein Stöhnen aus den Tiefen, die noch immer brodelten. »Er hat sie ermordet –«
    »Wer?« fragte Rahtenau sanft.
    »Bornholm –«
    »Unser Oberarzt Dozent Bornholm?« Rahtenau lächelte schwach. Er legte die Hände auf die zitternden Finger Herwarths. »Herr Bornholm hat Ihre Tochter nur als … nun, hinterher gesehen. Behandelt hat sie unsere Stationsärztin, Fräulein Dr. Erika Werner. Sie hat nichts mehr tun können … es ging zu schnell mit dem Infarkt …«
    »Lüge! Alles Lüge!« Der Kopf Herwarths sank auf die Brust herab, der Unterkiefer klappte auf. »Helga bekam ein Kind … von ihm …«
    »Von wem?« fragte Professor Rahtenau. Er war nicht begriffsstutzig, aber das verstand er nicht. Wollte es nicht verstehen.
    »Von Bornholm –«
    »Nie!« Rahtenau sagte es so laut, als schreie er einen seiner Assistenzärzte an. Aber dieses ›Nie!‹ war mehr ein Selbstschutz als eine Abwehr. Er spürte, wie es eiskalt um sein Herz wurde.
    »Ich habe einen Brief …« Die Injektion wirkte jetzt auf den ganzen Organismus.
    »Haben Sie ihn bei sich?« Rahtenau würgte die Worte heraus. Herwarth nickte mit zufallenden Augen.
    »In der Tasche …« Sein Kopf zuckte noch einmal hoch, die Augen rissen auf, waren unnatürlich groß und starr und glänzend. »Mörder!« schrie er grell. Dann sank er schlaff zusammen und schlief ein.
    Professor Rahtenau zögerte. Es war das natürliche Hinausschieben vor dem Blick in eine grauenhafte Wahrheit. Dann aber überwand er sich und beugte sich über den Schlafenden. Er holte die Brieftasche aus der Rocktasche und fand gleich obenauf die aus dem Tagebuch herausgerissene Seite und den letzten Brief Helga Herwarths an ihren Vater.
    Langsam, Wort für Wort, so wie man einen Text auswendig lernt, las Rahtenau die schrecklichen Worte. Was ihn erstarren ließ, war weniger die Erkenntnis, daß sein Schwiegersohn der Vater eines außerehelichen Kindes war, sondern die niederschmetternde Tatsache, daß in seiner Klinik, in der Nacht, etwas geschehen sein mußte, was den Zusammenbruch auch des berühmten Namens Rahtenau nach sich ziehen würde.
    Langsam faltete Rahtenau den Brief und das Tagebuchblatt wieder zusammen. Dann stand er auf, schellte nach den Pflegern und nickte zu dem schlafenden Herwarth hin, als sie – ängstlich, es könnte etwas geschehen sein – ins Zimmer stürzten.
    »Auf Zimmer eins«, sagte Rahtenau müde. »Einer ständig bei ihm. Und wenn er etwas will – ich bin immer für ihn zu erreichen! Immer! Auch nachts!«
    Er beachtete nicht die verwunderten Blick seiner Pfleger. Mit gesenktem Kopf ging er an ihnen vorbei in sein Chefzimmer und schloß sich ein.
    Eine halbe Stunde lang rang Professor Rahtenau gegen sich um einen Entschluß, den er beim Lesen des letzten Briefes von Helga Herwarth gefaßt hatte. Sein unerschütterliches ärztliches Ethos stand gegen die schmerzlichen Gefühle eines Vaters, der das Glück seiner einzigen Tochter in einer einzigen Handlung zerbrechen sah. Es blieb ihm keine Wahl, und es gab kein Ausweichen mehr. Er wußte, wie er als Vater in der gleichen Situation wie Herwarth handeln würde.
    Mit schwerer Hand nahm Rahtenau den Hörer ab. Seine Sekretärin meldete sich aus dem Nebenzimmer.
    »Herr Professor?«
    »Stellen Sie eine Verbindung her … zur Kriminalpolizei.«
    »Wohin?« fragte die Sekretärin ungläubig.
    »Kriminalpolizei. Mordkommission –«
    »Mord –« Die Stimme der Sekretärin versagte.
    »Ja, Mordkommission. Und dann stellen Sie zu mir durch – ohne Tonband …«
    Professor Rahtenau ließ den Hörer zurückfallen. Er lehnte sich im Sessel weit zurück und starrte an die hohe, weißgetünchte Decke. Als die Telefonglocke anschlug, zuckte er zusammen und nahm langsam den Hörer ab. Er war schwer wie ein stählerner Klotz.
    »Rahtenau«, sagte er müde.
    »Kommissar Flecken.«
    »Kommen Sie bitte heraus zu mir. Erste Chirurgische Klinik. Ich habe eine Tote hier … eine …« Rahtenau atmete tief durch, ehe er es aussprechen konnte … »Eine Getötete! Ein Abortus mit exitus. Der Täter ist … ist

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