Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dr. med. Erika Werner

Dr. med. Erika Werner

Titel: Dr. med. Erika Werner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
zeigen!«
    Helga Pilkowski winkelte die Arme an und lief dann in leichtem Trab an Jule Blauberg vorbei in den gekachelten Baderaum. Ihre säulenförmigen Beine stampften über den Boden, die Fußsohlen klatschten. Die ›Männerwalze‹ rollte auf die Brausen zu. Die anderen folgten ihr. Nur Erika ging langsam aus dem Warteraum; verwundert sah ihr Jule Blauberg entgegen.
    »Nanu?« fragte sie. »Noch nie was vom Laufen gehört?« Dann sah sie die sonnenbraune Haut Erikas und nickte. Wer hinter den Gitterfenstern hockt, hat eine fahle Haut. »Du bist die Neue. Frau Pleuel hat dich angemeldet. Also, merk dir eins: Einmal wöchentlich ist Baden. Hier bin ich Königin, verstanden? Was ich sage, ist mehr wert als die Bibel! Ungehorsam zieht Dunkelhaft nach sich. Das kennste noch nicht, aber wer einmal drin war, tut lieber alles, als dort zu hocken und die Wände anzusingen. Also denn: im Laufschritt marsch – marsch –«
    Erika Werner lief in den Baderaum.
    Nach dem Bad, angezogen, in den weiten, blauen Kleidern, sahen sie fast alle gleich aus. Die Uniform der Ausgestoßenen machte sie zu Schwestern. Ihre nassen Haare hingen ihnen um die Köpfe. Mit klappernden Schuhen wurden sie zurückgeführt zu ihrem Block. Katharina Pleuel erwartete sie bereits.
    Aus dem vorbeitrottenden Trupp griff sie sich Erika und zog sie zur Seite. »Sauber?« fragte sie.
    »Ja.«
    »Kommst gleich zum Arzt. In zehn Minuten.«
    Sie gingen wieder durch mehrere Flure, Türen wurden klirrend aufgeschlossen und hinter ihnen wieder zugeschlossen, zwei Kontrollen passierten sie, bis sie in einen Gebäudeteil kamen, der etwas freundlicher war, weiß getünchte Wände hatte, einen Linoleumbelag und Türen mit Klinken. Wieder betraten sie ein Wartezimmer. Aber trotz der vergitterten Fenster war es Erika fast heimatlich, fast wie eine Rückkehr nach langer Wanderung. Sie roch den Lysolgeruch, sie sah die weiße Tür, auf der ein kleines Schild mit schwarzer Schrift mit Heftzwecken festgedrückt war.
    Anstaltsarzt. Anmeldung.
    Eine Aufseherin in einem weißen Kittel öffnete die Tür. Sie hatte bereits die Akten erhalten. Kritisch musterte sie die junge Ärztin, die jetzt in dem weiten blauen Anstaltsrock vor ihr stand. Eine Gefangene wie hundert andere. Eine, die ein Mädchen getötet hatte.
    »Reinkommen!«
    Im Ordinationszimmer wusch sich der Arzt gerade die Hände, als Erika Werner eintrat. Langsam sah sie sich um. Der Untersuchungstisch, ein Sofa, mit Wachstuch bezogen, ein kleiner Instrumentenschrank, eine Höhensonne, ein EKG-Apparat, ein OP-Tisch für kleine Eingriffe … alles ein wenig ärmlich verglichen mit der blinkenden Pracht der Klinik, aus der sie herausgerissen worden war.
    Der Arzt drehte sich um und trocknete seine Hände ab. Er hatte einen schmalen, sonnenbraunen Kopf mit hellen Augen und einer schönen Nase. Seine blonden Haare gingen bereits ins Weiße über. Es war nicht zu schätzen, wie alt er war. Er konnte Mitte Dreißig sein, oder fünfzig … sein Gesicht war zeitlos, glatt und energisch.
    »Nummer 12.456 – Werner, Erika«, sagte die Arzthilfe. »Heute eingeliefert. Erstuntersuchung.«
    Der Arzt nickte. Er winkte Erika heran. Die Revieraufseherin tippte ihr in den Rücken.
    »Ausziehen!« zischte sie.
    Wieder entkleidete sich Erika. Mit bloßem Oberkörper stand sie frierend mitten im Untersuchungszimmer. Der Arzt nahm eine Liste mit vorgedruckten Fragen und legte sie auf seinen Schreibtisch. Immer die gleichen Fragen, immer die Routinediagnose, immer der gleiche Satz: Arbeitsfähig – ja oder nein? Wenn ja, für schwere – mittlere – leichte Arbeit. (Nichtzutreffendes streichen.)
    »Ich bin Doktor Rumholtz«, sagte der Arzt, als er sich Erika zuwandte. »Wenn Sie ernsthafte Beschwerden haben, können Sie mich rufen lassen. Sie werden dann vorgeführt. Erkältungen und übliche Störungen melden Sie bei Ihrer Blockaufseherin. Es gibt für jeden Block einen Medizinschrank. Simulanten erkenne ich sofort. Die Bestrafung ist schwer.«
    Erika nickte. ›Ja, Herr Kollege!‹ wollte sie sagen. Aber sie unterdrückte es. Es gab keine Dr. Werner mehr. Sie war Nummer 12.456 … weiter nichts. Alles andere war vorbei.
    Das ›Vorbei‹ ergriff sie wieder. Sie schloß die Augen und ließ sich untersuchen. Dann beantwortete sie alle Fragen mit der monotonen Stimme einer aufgezogenen Maschine.
    Kinderkrankheiten? Ja. Welche. Scharlach und Windpocken.
    Operationen? Ja! Sie sagte Appendizitis in graviditate. Dr. Rumholtz sah kurz und

Weitere Kostenlose Bücher