Dr. med. Erika Werner
Tochter lebte.
Und von Tag zu Tag wuchs sein Haß gegen diesen Dr. Bornholm, der einmal der Liebhaber seiner Tochter gewesen war und von ihr sagte, sie sei wie eine heiße Füchsin gewesen …
Auf Capri flossen die Tage dahin mit Schwimmen und Sonnenbaden, mit Tauchen und Ruderfahrten. Nach vier Wochen erschien Petra Rahtenau.
»Papa hat alles geregelt. Ein Verfahren vor der Ärztekammer wird niedergeschlagen. Er hat dir auch eine Chefarztstelle besorgt. Ein Haus mit zweihundertvierzig Betten. Keiner denkt mehr an die dumme Sache. Im Gegenteil, alle sagen: Der Bornholm ist ein toller Bursche. Steckt den eigenen Kopf in die Schlinge, um einer jungen Kollegin zu helfen! So spricht man jetzt von dir. Ich bin so stolz auf dich, Alf.«
Sie plapperte noch viel sinnloses Zeug, Blendwerk verliebter Gehirne, mädchenhafte Philosophie und gewollt freizügige Bereitschaft. Dr. Bornholm genoß diese Tage mit Petra, als ahnte er die Gefahr, die einmal von Bruno Herwarth auf ihn zukommen konnte. Er war wie ein heißer Sturm, der über Petra wehte, ihr den Atem nahm und sie in seinen Armen fast verbrennen ließ. Die Tage in der Sonne, auf den Klippen liegend und übersprüht von dem Gischt der Brandung, waren nur Atempausen von dem Gestammel der Nächte.
»Du«, sagte sie immer wieder und nahm seine Hand und küßte sie und leckte das salzige Wasser von ihnen und biß in die Finger und grub die Zähne in die starken, behaarten Arme und verging vor Lust und vor Sehnsucht nach dem Schmerz während seiner Umarmung. »Du – du – du.«
Dann lächelte er still und fast weise vor sich hin und verbiß sich den Schmerzlaut, wenn sie die Zähne in seine Muskeln drückte und dann die Bißstelle streichelte.
Ab und zu, in den wenigen Momenten, die Petra ihm zur Ruhe gönnte, dachte er auch an Erika Werner. Es waren Gedanken, die ihn unsicher und ängstlich machten.
Was er ihr versprochen hatte, war zu einem gewissen Teil gehalten worden: Er hatte den besten Rechtsanwalt beauftragt, eine Strafminderung durchzusetzen. Drei Gnadengesuche waren abgeschickt worden. Selbst Professor Rahtenau hatte sich nach einer erregten Diskussion mit seinem zukünftigen Schwiegersohn bereit erklärt, seinen großen Einfluß in der Geisteswelt geltend zu machen und sich für Erika Werner einzusetzen.
Die Anträge liefen … aber mehr konnte Dr. Bornholm nicht tun. Das, woran Erika Werner glaubte, was ihr die Kraft gegeben hatte, die Schuld auf sich zu nehmen und die Sühne zu tragen – die Liebe und das Versprechen, sie nach der Verbüßung der Zuchthausstrafe zu heiraten –, waren unerfüllbare Träume, die Bornholm in sie versenkt hatte und vor denen er Angst bekam, je länger er darüber nachdachte.
Einmal sprach er das aus, woran er seit Wochen grübelte. Sie lagen in einem weißen, gemieteten Segelboot und trieben um Capri herum. Petras Kopf ruhte auf seiner Brust.
»Was hältst du von Australien?« fragte Bornholm.
Die Frage war so unvermittelt und so absurd, daß Petra sich darüber keine Gedanken machte. Sie lächelte, wie nach einer Schmeichelei, und legte ihre Hand auf Bornholms Schenkel.
»Dort gibt es viele Schafe«, sagte sie. »Ich hab's in der Schule gelernt. Merinoschafe …«
»Könntest du in Australien leben?«
»Ich? Bin ich ein Merinoschaf?«
Aber als sie ihn ansah, spürte sie, daß hinter seinen Worten mehr steckte. Sie setzte sich auf.
»Willst du etwa nach Australien gehen?« fragte sie.
»Vielleicht …«
»Verrückt! Das würde Vater nie erlauben!«
»Ich bin kein Befehlsempfänger deines Vaters. Ich habe mich erkundigt. Ich hätte in Australien alle Chancen, die mir hier durch Geldknappheit und Bürokratie verschlossen sind. Ich bekomme ein Forschungslabor, ein großes Krankenhaus, großzügige staatliche Unterstützung und ein Gehalt, das fünfmal so hoch ist wie in Deutschland. Ist das vielleicht nichts?«
»Mir reicht, daß ich dich habe!«
»Das Leben ist nicht nur ein Liebesspiel, Petra. Zum größten Teil besteht es aus Arbeit und Alltag. Darum sollte man sich mehr sorgen als um die Liebe.«
»Dein Ehrgeiz wird dich noch auffressen – das ist das ganze Geheimnis. Was willst du denn in Australien? Und vor allem: Was soll ich da?«
»Ich sehe eine Chance, dort ein ruhiges und vernünftiges Leben zu führen.«
»Das hast du in Deutschland auch: als Chefarzt, als Professor …«
»Das glaube ich nicht«, sagte Bornholm nachdenklich.
Was sind drei Jahre, dachte er, selbst wenn sie wirklich so lange
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