Dr. med. Erika Werner
langweilig.« Eine große, schön gewachsene Blonde reckte sich. »Ich bin Monika Bergner. Noch nie von mir gehört? Von Robert Haller, dem Räuber vom Heimerberg? Das war mein Liebchen … Vier Wochen haben die Blauen uns gejagt, bis sie uns hatten.«
Die Dicke klatschte sich laut auf die mächtigen Schenkel. »Ich bin Helga Pilkowski, genannt ›Die Männerwalze‹. Hab' mal Pech gehabt. Hab 'ne Brieftasche von 'nem Kunden geklaut, und der Lümmel war zufällig Staatsbeamter in irgend so 'nem Ministerium. Ssssst – war ich drin im Kahn! Wenn ich wieder raus bin, laß ich mir vorher immer die Pässe zeigen und setz 'nen Stempel rein, wie an der Grenze: Darf passieren!«
Die anderen Frauen kreischten vor Lachen. Erika Werner stand noch immer an der Tür, an das rauhe Holz gepreßt, die Hände ineinander verschlungen, mit großen, entsetzten Augen.
»Und die da …« Der Finger Helga Pilkowskis fuhr wie eine dicke Stange auf ein kleines, zartes, blondes Mädchen, das als letzte in der nackten Runde saß und mit traurigen Augen zu Erika Werner hinaufblickte. Ein schmales Gesichtchen, das immer zu weinen schien und alle fragen konnte: Warum bin ich denn hier? Was habe ich euch denn getan? Ihre blauen Augen waren trüb und wie leergeweint.
»Det is Lore Heimberg!« stellte die Dicke vor. »Unser Gretchen! Hat 'n Kind gleich nach der Geburt ausgesetzt, aus Angst vor zu Hause. Der Vater ist auf und davon! Und da 's Winter war, ist die Kleene erfroren. Statt den Kerl einzulochen, der's ihr angedreht hat, kommt sie in 'n Kahn! Is det Gerechtigkeit?! Kindesmord, sagen die Fräcke! Und der Lump, der se hat sitzenlassen?! Um den kümmert sich keener! Man sollte auf alle Paragraphen spucken … ja, det sollte man!«
Helga Pilkowski blieb vor Erika stehen. Das Brausegeräusch aus dem Baderaum verstummte. Lauter wurden die Stimmen, dazwischen eine laute, kommandierende Stimme.
»Jetzt kontrolliert die Blauberg, ob se sich alle den Hintern gewaschen haben!« sagte die Dicke sachverständig. »Los, zieh dich aus! Gleich sind wir dran! Wie heißte denn?«
»Erika Werner …«, sagte Erika leise.
»Und weshalb biste hier? Betrug, Diebstahl, Unterschlagung? Wie 'ne Mörderin oder 'n Strichmädchen siehste mir nich aus …«
»Ich bin unschuldig«, sagte Erika plötzlich. Sie mußte es sagen, zum erstenmal ganz laut. Es sprang aus ihr heraus, es sollte ein Schutz sein, ein Wall gegenüber dem Unrat, der gegen sie anbrandete. Helga Pilkowski hüpfte einen Schritt zurück. Ihr fetter Körper wackelte. Dann brüllten sie alle los, mit Ausnahme der kleinen Lore Heimberg, die nur den Kopf senkte.
»Unschuldig! Huch nein!« Helga Pilkowski schritt geziert vor Erika hin und her. Ihre dicken Hüften und prallen Schenkel schwenkte sie dabei aufreizend herum. »Wie kommt sie zu uns, diese Unschuld? Ei ei, wer flog denn da herein aus dem Paradies?! Ein Schwänchen, dem man die Federchen ausrupfte …« Plötzlich blieb sie stehen, ihre dicken Finger fuhren zu Erika, mit einigen Griffen zog sie ihr die Kleider vom Leib, bis Erika nackt an der Tür stand. »So! So!« schrie Helga Pilkowski. »Nun siehste aus wie wir, du Flittchen! Und die Tour zieht nicht mehr bei uns! Wer hier steht, ist nicht unschuldig! Kameradinnen auf den Arm nehmen, det haben wir hier besonders gern! Da kannste noch manchen blauen Hintern bekommen, wennste so weitermachst! Los … hingesetzt … und Maul auf, warum du hier bist!«
Sie zog Erika Werner mit zur Bank und drückte sie zwischen die anderen nackten Leiber auf die Holzpritsche. Wehrlos ließ es Erika über sich ergehen. Es war sinnlos, sich zu sträuben … sie war in einen Sog gekommen, und der Strudel riß sie mit hinab, so stark und zwingend, daß es keine Gegenwehr mehr gab.
Als sie saß, bemerkte sie den Blick Helgas auf ihrem Körper. Es war ein anderer Blick, frech, fordernd, lüstern fast. Wie schützend legte Erika ihre Arme gekreuzt über die Brust.
»Ein Figürchen!« sagte Helga und leckte sich über die aufgeworfenen Lippen. »Da kommt ihr alle nicht mit, Kinder. Det wird meine Freundin … und wer sie mir anpackt, den roll ick übern Hof, verstanden?«
Die Holztür flog auf. Auf dem Flur stand die Badewärterin Jule Blauberg.
»Raustreten!« brüllte sie. Als sie Helga Pilkowski sah, verzog sie das Gesicht, als habe sie Essig getrunken. »O Gott, die Abteilung ist's!« Sie trat zurück und streckte den Arm zum Baderaum aus. »Im Laufschritt – marsch marsch. Euch Ästern will ich's
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