Dr. med. Erika Werner
solltest du immer denken … unser Schicksal hältst du fest.«
»Ich weiß, Alf. Und die drei Jahre werden auch vorbeigehen. Es ist alles halb so schlimm. Ich kann wieder mit Kranken arbeiten … und wenn ich nicht die vergitterten Fenster sehe, könnte ich glauben, ich sei wieder in einer Klinik.«
»Ich werde das, was du für mich tust, nie wieder gutmachen können.«
»Doch, Alf.« Sie löste ihre Hände aus seinen Fingern und strich ihm liebkosend über die mit weißen Fäden durchsetzten Haare. »Du brauchst nur zu warten … Wenn ich an den Tag denke, an dem ich entlassen werde … ich kann es nicht beschreiben.«
»Noch zwei Minuten!« sagte die Beamtin an der Tür.
»Du solltest mehr schreiben, Alf.«
»Ich verspreche es dir.«
Erika sah auf die Tischplatte. Sie war aus Kunststeif und hatte einen Aufdruck aus roten und schwarzen Kreisen.
»Und … und was ist mit Petra Rahtenau?« fragte sie leise. Es war eine unsagbar schwere Frage. Bornholm flüchtete sich in die Burschikosität. Es gelang ihm vorzüglich.
»Die Tochter vom Alten? Was soll sie machen? Wir sehen uns ab und zu.«
»Du wolltest dich doch entloben!«
»Natürlich, das kommt noch! Aber es soll ohne Skandal geschehen. Es wird eine natürliche Entfremdung werden.«
»Ende der Sprecherlaubnis!« sagte die Beamtin und erhob sich von ihrem Stuhl. Sie klapperte mit den Schlüsseln, um ihre Worte akustisch zu unterstreichen. Bornholm sprang auf. Er war froh, Erikas Fragen zu entkommen.
Erika Werner stand langsam auf. Ihre Augen waren glanzlos vor Trauer. »Es war so kurz«, sagte sie und zwang sich, nicht zu schluchzen. »Kommst du wieder, Alf?«
»Ich werde jede Sprecherlaubnis ausnützen.«
»Das ist schön. Ich danke dir.« Sie wollte ihm die Hand reichen, aber die Beamtin trat an den Tisch heran und schüttelte den Kopf.
»Kommen Sie«, sagte sie. Langsam wandte sich Erika ab. Sie ging zur Tür. Bornholm stützte sich auf den Tisch und starrte ihr nach.
»Ich liebe dich!« rief er plötzlich, als Erika die Tür öffnete »Vergiß es nie, Erika … ich liebe dich!«
Es war wie ein Aufschrei. Und wie ein letzter Befehl. Schweig !
Dann klappte die Tür hinter Erika Werner zu. Bornholm war wieder allein im Raum. Mit einem seidenen Taschentuch wischte er sich über die Stirn. Er stand noch eine Weile untätig im Zimmer, als erwarte er etwas. Dann ging er durch die hintere Tür hinaus in die Wachstube, wo ihn eine andere Beamtin in Empfang nahm und durch viele Gänge und verschlossene Türen in die Freiheit hinausbrachte.
»Zu Weihnachten wird geheiratet!« sagte Professor Rahtenau.
Er hatte eine Flasche Rotwein entkorkt und sie am offenen Kaminfeuer peinlich genau temperiert. Nun goß er die geschliffenen Gläser voll und reichte Petra und Bornholm den dunkelroten Wein herüber.
Dr. Bornholm hob sein Glas. Das zitternde Licht der Kaminflamme brach sich im Schliff des Glases und schillerte zurück wie ein Feuerwerk. Petra saß zusammengekuschelt in dem breiten Kaminsessel, hatte die Beine untergeschlagen und blickte verliebt zu Bornholm empor.
»Das soll ein Wort sein!« rief Bornholm fröhlich. Sein Gesicht war weingerötet, er war in bester Laune. Sein erster Bericht über sein ›Kunstblut‹ war erschienen und hatte ein weltweites Echo gefunden. Zwar meistens negativ, aber das war zu erwarten. Das Neue, nie Erwartete, das Revolutionäre in der Medizin war fast immer angefeindet worden.
Aber der Name Doktor Alf Bornholms war in aller Munde. In den Labors in England und den USA, in Frankreich und Italien, in Rußland und Japan wurden die alarmierenden Forschungen Bornholms nachgeprüft. Es schien, als habe er die Sonne der Wissenschaft erreicht.
Selbst Rahtenau vergaß darüber, was er im Panzerschrank noch immer verwahrte. Er war bereit, es zu zerreißen, wenn die Trauung vorbei war. Er glaubte jetzt zu wissen, daß sein Kind glücklich werden würde. Das war das letzte Ziel, das er sich in seinem Leben gesetzt hatte, ein Leben, das so reich an Erfolgen und Ehren war.
Das Hochzeitsgeschenk wuchs von Tag zu Tag: Es war eine kleine Villa am Rande der Stadt in einem großen Garten, die Rahtenau seiner Tochter baute. Kurz vor Weihnachten sollte sie bezugsfertig sein.
Dreimal in der Woche fuhr Rahtenau hinaus zum Bauplatz und stand stundenlang zwischen den Gerüsten, Zementsäcken, Hohlblocksteinen, Kiesbergen, Kalkpfannen und Speisaufzügen. Er studierte den Fortgang der Arbeiten, änderte um, was ihm besser gefiel, als auf der
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