Dr. med. Erika Werner
sicherer mußte sie umfallen – vor allem, wenn er dann noch erklärte, er würde sie am Tag nach ihrer Entlassung heiraten …
Lächelnd fuhr Bornholm um 9.45 Uhr vor dem Gericht vor. Seine Anwälte und Professor Berrenrath warteten auf dem Gang. Bornholm zog den Psychiater zur Seite. »Bleiben Sie dabei, Herr Kollege?« fragte er drängend.
Berrenrath sah auf: »Ich kann kein Gutachten abgeben. Dazu hätte ich Fräulein Werner über längere Zeit gut beobachten müssen. Bei unserem kurzen Gespräch hatte ich jedenfalls nicht den Eindruck, daß sie krank ist.«
Ärgerlich ließ Bornholm den Kollegen stehen und ging zu seinen Anwälten.
Auf einer Bank neben der Tür saßen die Zeugen. Bruno Herwarth, die Oberin mit drei Schwestern, Kriminalkommissar Theo Flecken, Dr. Rumholtz, die Oberaufseherin Katharina Pleuel, der Zuchthausdirektor. Sogar der Pfarrer, der Schwester Lutetia die Letzte Ölung gegeben hatte, war geladen. Er war zwar an sein Beichtgeheimnis gebunden, aber der Staatsanwalt wollte ihn etwas anderes fragen, worüber er Auskunft geben durfte.
Bornholm betrachtete die Zeugen verwundert. Aber dann begrüßte er die Oberin wie eine alte Freundin, nickte Flecken zu und sah über Plattner und Rumholtz hinweg, als ob sie gar nicht da wären.
Pünktlich um 10 Uhr wurde die Saaltür geöffnet. Sachverständige, Zeugen, Presse und Zuschauer betraten den kleinen Saal und wurden vom Justizwachtmeister auf ihre Plätze verteilt.
Als Bornholm eintrat, gefolgt von seinen Anwälten in ihren wallenden schwarzen Roben, saß Erika Werner schon neben der Aufseherin auf der Zeugenbank. Mit hoch erhobenem Kopf ging Dr. Bornholm an Erika Werner vorbei. Er sah nicht zur Seite. Er beachtete sie gar nicht.
Erika senkte den Kopf. Ihre Hände verkrampften sich in ihrem Schoß. Dr. Plattner, der neben ihr saß, beugte sich zu ihr hinüber.
»Ruhe!« flüsterte er. »Haltung, Mädchen! Das gehört alles zu seiner Taktik. Weichmachen will er Sie! Heben Sie den Kopf, lächeln Sie! Seien Sie freundlich! Vergessen Sie nicht: Ihr Lächeln erreicht mehr als tausend Worte!«
Gehorsam hob Erika den Kopf und lächelte.
Bornholm, der sie aus den Augenwinkeln beobachtete, biß sich auf die Lippen.
Durch die Tür an der Stirnwand des Raumes betrat das Gericht den Saal.
Der Prozeß begann.
Der Vorsitzende verlas den Eröffnungsbeschluß.
Erika Werner hörte kaum hin. Als sie mit den anderen Zeugen den Saal verlassen mußte, hielt sie den Kopf gesenkt. Schweigend wartete sie in dem kleinen Zimmer, bis im Saal die Anklageschrift verlesen und der Angeklagte zur Person vernommen worden war. Stumm ließ sie sich über den Gang führen, als der Staatsanwalt sie als erste Zeugin rufen ließ. Rumholtz und Plattner, die draußen auf der Bank warteten, nickten ihr freundlich zu. Sie bemerkte es kaum. Erst als sie allein vor dem Richtertisch stand, hob sie den Kopf und sah den Vorsitzenden an.
Ihre Aussage machte sie sachlich, als ob sie mit einem Kollegen einen Fall durchzusprechen hätte. Niemand sah ihr an, unter welch ungeheurer innerer Spannung sie stand.
Der ältere von Bornholms Verteidigern erhob sich.
»Fräulein Werner«, begann er in dem begütigenden Tonfall, in dem man mit Kranken und mit bockigen Kindern spricht, »Sie sind sich klar darüber, daß alles, was Sie jetzt gesagt haben, in direktem Gegensatz zu Ihren früheren Aussagen steht?«
Erika sah zum Vorsitzenden hin. Er nickte ihr zu. Sie mußte antworten.
»Ja«, sagte sie leise.
»Sie wurden damals auf Grund Ihrer eigenen Aussage verurteilt?« fragte er weiter.
»Ja«, bestätigte sie wieder.
»Sie haben diese Aussage seinerzeit gemacht, obwohl Sie wußten, daß Sie dafür ins Zuchthaus kommen würden?«
»Ja.«
»Sie haben nun das Gegenteil von dem behauptet, was Sie damals unter so erschwerenden Umständen gesagt haben. Stimmt das?«
»Ja«, antwortete Erika zögernd. Sie verstand nicht, worauf er hinauswollte, aber sie spürte die Gefahr.
»Wenn das Gericht Ihnen Ihre neue Aussage glaubt«, fragte der Anwalt weiter, »das bedeutet doch zugleich, daß Sie dann freigelassen werden?«
»Ich …«, stammelte sie.
»Beantworten Sie bitte meine Frage«, verlangte er kühl.
»Ich – ich glaube, ja.«
»Damals sagten Sie: Ich war es – obwohl Sie dafür ins Zuchthaus mußten. Heute sagen Sie: Er war es – weil Sie hoffen, dadurch frei zu werden, nicht wahr?«
Erika schwankte. Bevor sie etwas sagen konnte, sprang der Staatsanwalt auf.
»Ich erhebe
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