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Dr. Sex

Dr. Sex

Titel: Dr. Sex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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schließlich für ‘ne komplette Nummer bezahlt.«
Ginger streckte sich gehorsam auf dem Bett aus, zog das Kleid hoch und stellte ihre Nacktheit aus, doch dann schien sie sich an ihre Aufgabe zu erinnern: Wir waren im Wandschrank, ihre Hilfsfreier, und auch wir hatten für unsere komplette Nummer bezahlt. Sie setzte sich auf, nahm seinen Penis in die Hand und streichelte ihn ein bißchen; dann zog sie das Kleid über den Kopf, öffnete den Verschluß ihres Büstenhalters und ließ ihre Brüste frei schwingen. Sofort warf er sich auf sie und stimulierte ihre Brustwarzen mit der Zunge und den Fingern, während sie seinen Penis in sich einführte, doch mit einem Mal hielt er mitten im Stoß inne. »Das Licht«, sagte er. »Was soll das Scheißlicht? Hast du denn gar keinen Sinn für Romantik?«
Doch, das hatte sie. Jedenfalls sah es so aus. Denn bis zu dem Augenblick, als er seinen Penis wieder rauszog und die Hand nach dem Lichtschalter ausstreckte, hatte sie gestöhnt und gewimmert, als gäbe es auf der ganzen Welt keinen besseren Mann als ihn, als wäre kein Augenblick je so reich und bedeutsam gewesen wie dieser. »Laß es an, Schatz«, sagte sie. Eine dramatische Pause, sie hatte den Zeigefinger in den Mund gesteckt. »Ich will jeden Zentimeter von dir sehen.«
12
    Das erste, was ich tat, als wir wieder in Bloomington waren: Ich ging zu Iris. Es war zwei Uhr morgens, ich war schmutzig, erschöpft, hungrig – geradezu ausgehungert, denn wir hatten unterwegs nicht angehalten, um etwas zu essen –, in meinem Hinterkopf summte das Motorengeräusch des Buick noch immer wie eine Dauerstörung. Ich hatte persönlich acht Geschichten aufgezeichnet (darunter auch die von Gerald und Ginger) und im Verlauf der drei Nächte, die wir in Gingers Gesellschaft verbracht hatten, zusammen mit Prok und Corcoran zugesehen, wie sie mit sechzehn verschiedenen Männern Geschlechtsverkehr hatte. Erstaunlicherweise war die Variationsbreite recht klein, und obgleich ich zugeben muß, die ganze Zeit über in einem Zustand sexueller Erregung gewesen zu sein, setzte nach einer Weile eine gewisse Gewöhnung ein. Die Männer waren behaart oder unbehaart, groß oder klein, dick oder dünn, sie trugen lange Unterhosen oder Boxershorts, Sportjacketts oder Flanellhemden, Galoschen, Stiefel oder Tennisschuhe. Sie hatten Leberflecken, Muttermale und Tätowierungen, sie waren beschnitten oder unbeschnitten, ihre Penisse zeigten nach rechts oder links oder senkrecht nach oben, sie legten ihre Kleider ordentlich gefaltet auf den Schreibtisch oder warfen sie in einem Haufen auf den Boden. Was den Sex betraf, so war er ganz und gar konventionell: Etwa in der Hälfte der Fälle begann er mit einer kurzen Fellatio, sonst lediglich mit etwas Tasten, Lecken und Drücken, gefolgt von der Penetration, dem Pumpen der nackten weißen Pobacken mit schlaffen oder straffen Glutäalmuskeln, Gingers zunehmend theatralischer Simulation orgastischer Ekstase und schließlich dem abrupten Ende, der absoluten Gleichgültigkeit gegenüber der Nacktheit der Frau, ihren entblößten Genitalien oder auch nur ihrem Gesicht, während die Kleider schweigend aufgehoben und angezogen wurden, und dann wurde die Tür geöffnet und wieder geschlossen.
    Aber ich ging zu Iris. Ich stieg aus Proks Wagen und ging sofort in die Wohnung, in der es ganz still und dunkel war – das einzige Licht kam vom matten Schein einer Straßenlaterne und vom Mond, der mit all seinem symbolischen Gewicht über der Stadt hing. Ich ging ins Schlafzimmer. Iris schlief. Sie hatte sich vor der Kälte unter die Decke verkrochen, ihr Haar lag ausgebreitet auf dem Kissen, sie blinzelte mit einem Auge, als ich die Nachttischlampe einschaltete, das Zifferblatt des Weckers leuchtete, und in der bodenlosen Höhle der Nacht war es ganz still. Ich zog mich aus, Jackett, Hemd, Hose, und das Licht war an. Ich wollte, daß sie mich sah, daß sie mich und das Souvenir bewunderte, das ich im Wandschrank einer Hure in Indianapolis drei schreckliche Nächte lang für sie festgehalten hatte. »John?« murmelte sie. »John? Wieviel Uhr ist es?«
    Ich roch sie, einen Geruch, den ich nicht beschreiben kann, ihren ganz persönlichen Geruch, der wie kein anderer war, zusammengesetzt aus Körperwärme, ihrer Hand- und Gesichtscreme, den Duftspuren ihres Shampoos, ihres Parfüms und ihres natürlichen Haarfetts. »Schhh«, machte ich und wartete darauf, daß sie mich würdigte, daß sie sah, was ich ihr mitgebracht hatte, und

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