Dr. Sex
dahinter aus? Der Mensch. Ich meine, wie ist er als Mensch? Er muß doch irgendwelche Eigenarten oder Marotten haben, irgendwelche irritierenden Angewohnheiten. Ich hab gehört, daß er manchmal ganz schön kurz angebunden ist. Stimmt das?«
»Ich möchte nicht unhöflich sein«, sagte ich, »aber ich sehe da drüben eine Freundin – eine Bekannte, eine Freundin der Forschung eigentlich – und würde sie gern ...« Ich löste mich von der Theke und klopfte, auf der Suche nach Zigaretten, auf meine Taschen. »Aber vielen Dank für die Drinks. War nett, Sie kennenzulernen.«
Die Frau – Betty – betrachtete die Szene: das Nicken in ihre Richtung, der Händedruck, Elsters und Skitterings enttäuschte Gesich- ter. Ihre Freundin sah über die Schulter, als ich, das Glas in der Hand, auf ihren Tisch zukam. Ich wußte nicht, warum ich das tat, ich wußte nur, daß ich mich einer unangenehmen Situation entziehen wollte, und das war es wohl hauptsächlich, was mich zu ihr trieb. »Hallo«, sagte ich und strich mir, als ich schwankend an ihrem Tisch stand, mit der freien Hand die Haare aus der Stirn. »Erinnerst du dich?«
Ihre lächelnden Lippen schimmerten und spannten sich straff über ihre Zähne, und ich hoffe, Sie werden mir nachsehen, daß ich unwillkürlich daran dachte, wie diese Lippen sich weit geöffnet hatten, um Corcorans Penis und seine heroische Bewegung – rein und raus – aufzunehmen, und wie die diversen Sekrete die Haut hatten glänzen lassen. »Klar«, sagte sie, rutschte ein Stück weiter und klopfte mit der flachen Hand auf die Bank. »Komm, pflanz dich.«
Ich ließ mich neben ihr nieder und blickte kurz zu Elster und seinem Begleiter, die mich wie Geier beobachteten. Unvermittelt überfiel mich die olfaktorische Erinnerung: dieses Parfüm, die Wärme ihres Körpers, der Duft ihres Haars.
»Das ist Marsha«, sagte Betty und zeigte auf ihre Freundin, die uns gegenüber an dem schmalen Tisch saß (Spanielaugen, Stan-LaurelGesicht, aprikosenfarbenes gekräuseltes Haar). »Und wie heißt du noch mal?«
Mein Name war John. Ich sagte ihn ihr. Und ich erwiderte ihr Lächeln.
Die Kellnerin kam an den Tisch und fragte, ob ich die Karte haben wolle. Die Martinigläser der beiden Frauen waren leer. Betty wollte noch etwas trinken und einen Blick auf die Karte werfen. Ihre Freundin sagte, der eine Martini sei ihr bereits zu Kopf gestiegen und sie sei sich nicht ganz sicher, aber ... doch, natürlich, warum nicht, sie würde auch noch etwas trinken. Das war mir recht, auch wenn ich knapp bei Kasse war, denn ich hatte bloß ein paar Gläser Bier trinken, einen Happen essen und dann 8,3 Kilometer nach Hause gehen wollen. Daheim war Iris, so groß wie ein Haus. Daheim war das Haus, größer als ein Haus. Ich bestellte noch ein Bier und Betty ein Porterhouse Steak – »rot bis fast roh« – mit Pommes frites und einen Salat mit Thousand-Island-Dressing.
Danach strahlten wir drei uns eine Weile an und sprachen über Bloomington und darüber, wie endlos, hoffnungslos, einschläfernd langweilig es war, und dann sprachen wir über Filmstars –John Garfield, war der nicht ekelhaft oder gemein oder wie immer man das nennen wollte? – und über unsere Reisen. Beide Frauen waren ganz wild auf New York, obgleich, wie sich herausstellte, keine von ihnen je dort gewesen war, und es war wohl nur natürlich, daß ich das, was ich in dieser Stadt erlebt hatte, herausstrich und vielleicht sogar ein wenig ausschmückte. Dann kam das Steak, die Freundin verließ uns – sie mußte morgen recht früh aufstehen –, und als ich mich umsah, stellte ich fest, daß auch Elster und Skittering gegangen waren.
»Du bist also verheiratet?« fragte Betty.
»Nein.«
»Und was ist das an deinem Finger?«
»Das hier?«
»Ja, das da.«
»Das ist ein Ehering.«
Sie blickte auf ihren Teller und ihr Besteck und schnitt ein Stück von dem Fleisch ab. Als sie es in den Mund steckte, sah sie mich an. »Geschieden?«
»Spielt das eine Rolle?«
Sie zuckte die Schultern und senkte den Blick auf den Teller.
»Und du?« fragte ich. »Bist du ... Versteh das bitte nicht falsch, aber ... bist du eine ... äh ... Professionelle?«
Sie kaute langsam und nachdenklich. Ihr Blick hob sich wieder und begegnete meinem. »Was wird das? Noch so ein Interview?«
»Du meinst, du hast schon ...?« Ich nahm mir vor, am nächsten Morgen noch einmal die Anonymität zu verletzen und ihre Geschichte in unseren Unterlagen nachzulesen. »Wer hat das gemacht?
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