Draakk: Etwas ist erwacht. (Horrorthriller) (German Edition)
Wissenschaftler zu Bett gegangen oder vielmehr ins Bett gescheucht worden. Sein ungewöhnlicher Vortrag hatte zwar unmissverständlich das Beispiellose ihrer Situation dargestellt (wobei »beispiellos« eigentlich noch völlig untertrieben war), jedoch damit mehr neue Fragen aufgeworfen, als er beantwortet hatte.
Anschließend hatten die Wissenschaftler Murnauer bestürmt wie aufgeregte Fünftklässler nach einer Klassenarbeit. Dieser hatte sich höflich entschuldigt, sie auf den nächsten Tag vertröstet und ihnen nochmals nachdrücklich geraten, unverzüglich den Schlafsaal aufzusuchen. Dass die Wissenschaftler nach derartigen Neuigkeiten schlafen konnten, bezweifelte Singer allerdings. Zu vieles musste vorher noch diskutiert werden, das hatte man deutlich in den ungläubigen Gesichtern ringsum lesen können. Andererseits benötigten sie den Schlaf, und zwar dringend. Am Morgen würden sie alle Hände voll zu tun haben – und alle Konzentration brauchen, zu der sie fähig waren.
Ein unbekannter humanoider Organismus, staunte Singer, bei Satans hochherrschaftlichen Eiern …
Auch er war selbstverständlich vom allgemeinen Forschungseifer angesteckt worden und beteiligte sich noch eine Weile an der hitzigen (und größtenteils völlig spekulativen) Debatte im Schlafraum, bevor er sich zu Bett begab. Das unterdrückte Flüstern der heftig diskutierenden Wissenschaftler drang gedämpft zu ihm herüber und lullte ihn fast augenblicklich in einen tiefen Schlaf.
Die folgenden sechs Stunden bescherten dem erschöpften Biologen die beste Nachtruhe, die er in dieser Woche bekommen hatte. Die meisten der anderen Wissenschaftler schliefen jedoch überaus schlecht. Immer wieder erwachten sie verstört und orientierungslos aus bizarren Träumen, die unter der Oberfläche ihres seichten Dösens lauerten.
So träumte beispielsweise Dr. Walther von einem riesigen behaarten Spinnending mit widerlich vielgliedrigen Beinen wie Pfählen aus schwarzem Ebenholz, die aus einem balgartig aufgedunsenen Körper sprießten. Aber das war bei Weitem noch nicht das Schlimmste …
Opfer
S ie befand sich in einer Welt aus Sepiafarben. Merkwürdigerweise war sie sich der Tatsache, dass sie träumte, bewusst und doch hatte sie keinen Einfluss auf die Geschehnisse. Und obwohl ihr Traum äußerst realistisch war, wirkte er auf sie wie eine einzige Bildstörung – verzerrt und rauschend, und auch die Zeit schien mächtig durcheinander gekommen zu sein an diesem seltsamen Ort.
Das gigantische Spinnenwesen schien nach Belieben durch die fadenscheinigen Reste der vertrauten Realität zu springen, während es sich auf sie zu bewegte, ohne eines seiner vielen Beine zu benutzen. Falls es überhaupt Beine waren.
In einem Moment war es noch fern, um sich dann plötzlich übermannshoch vor ihr aufzutürmen, ohne dass sich in irgendeiner Weise offenbart hätte, auf welchem Weg oder in welcher Zeitspanne es die Strecke zurückgelegt hatte. Die Bewegung wirkte vielmehr, als schere sich das abstoßende Ding einen Dreck um Begriffe wie Raum und Zeit.
Nichts an dem Ding schien seine endgültige Form erreicht zu haben, alles schien ineinander zu fließen. Hier entstanden neue Beine, dort verschwanden Gliedmaßen, die zuvor noch strampelnd durch die Luft gefahren waren. Der aufgedunsene Leib des Wesens verfügte über ein Paar kräftige Vorderbeine, die an ihrem Ende spitz zuliefen wie Zaunpfähle.
Diese Vorderbeine stellte es vor dem schutzlosen Gesicht der jungen Psychologin auf wie die irre Parodie eines Hündchens, das Männchen macht und gewährte ihr einen Blick auf die Unterseite seines Körpers, auf den Doreen Walther liebend gern verzichtet hätte.
Dann holte es mit seinen furchtbaren Vorderbeinen aus und …
Unvermittelt befand sich Doreen Walthers Sichtfeld außerhalb ihres Kopfes, als hätte sie im Traum ihren eigenen Körper verlassen. Sie war zum unbeteiligten und hilflosen Betrachter dessen geworden, was nun folgte, unfähig einzugreifen oder auch nur um Hilfe zu rufen, denn sie hatte plötzlich keine Stimme mehr.
Nun konnte sie sehen, an welchem Ort sie sich befand. Der Anblick stürzte sie in tiefe Verzweiflung.
Wenn sich diese Landschaft auf der Erde befand, dann zu einer Zeit, in der der Planet noch sehr jung gewesen war, lange bevor das Leben begonnen hatte. Oder lange, nachdem es wieder verschwunden war. Bis zum Horizont erstreckte sich ein ekelhaft blutroter Himmel, über den schwere, tiefschwarze Wolken zogen. Sie verbargen eine
Weitere Kostenlose Bücher