Draakk: Etwas ist erwacht. (Horrorthriller) (German Edition)
empfangen zu haben.
Höchstwahrscheinlich nicht.
Am schlimmsten war allerdings die Geburtstagstorte – ein verhunztes, zusammengefallenes Ding aus billiger Sahne und Fertigboden, das aussah, als sei es völlig ungenießbar. Ein paar Gartenerdbeeren, bei denen man sich nicht die Mühe gemacht hatte, die schmutzige Erde und die grünen Blätter zu entfernen, steckten darin wie einsame, rote Leuchtbojen auf einem traurigen Meer aus Sahne. Die Hälfte der achtlos hineingedrückten Kerzen war umgefallen. Zweifellos hatte sie die Torte von ihrer Mutter bekommen und nur Gott allein mochte wissen, wie dieser lieblos zusammengeklatschte Haufen Elend in Annas Augen aussah. Rasch hatte er den Blick wieder abgewandt.
»Danke«, hatte Antonia daraufhin tonlos gesagt und sich ein weiteres Lächeln abgerungen. Nicht »Danke, Papa!«. Nicht »Nach Haus«. Damals noch nicht. Er hatte erfolgreich dem kurzen Impuls widerstanden, seine Tochter in die Arme zu reißen und ihr über die blonden Anna-Locken zu streichen. Sie an sich zu drücken, bis all ihre unterdrückten Tränen im Wollstoff seines eleganten Sommerjacketts versickert waren. Und seine. Bis sie ihren Vater wieder hatte und er seine Tochter. Und sie wieder eine richtige Familie waren.
Stattdessen hatte er seine Hände in einer hilflosen Geste in die Taschen seiner dunkelblauen Gucci -Jeans gestopft und war kurz darauf, nach ein wenig belangloser Konversation à la »Wie läuft’s in der Uni?« »Gut, danke. Alles prima. Und du so?«, gegangen.
Zurück im Wagen hatte er eine Weile in den leeren Raum vor seinem Lenkrad gestarrt. Anna war bei seinem Abgang nicht noch einmal aus dem Garten gekommen, worüber er ihr im Grunde ausgesprochen dankbar war. Dabei hatte sie mit Sicherheit gewusst, dass er den spontanen Geburtstagsbesuch bei seiner Tochter inzwischen beendet hatte. Das Knarren der alten Holztreppe, deren Reparatur er immer wieder aufgeschoben hatte, war einfach nicht zu überhören. Ein vertrautes Geräusch, das zu vermissen er sich nicht eingestehen wollte, damals. Nicht eingestehen durfte. In einer knappen Stunde hatte er schließlich einen Vortrag zu halten und am Abend würde sein Flieger nach Peru starten – die Würfel waren gefallen – rien ne va plus . Im Dschungel des Amazonas würden sie Geschichte schreiben, so hatte Dr. Murnauer ihnen in leuchtenden Farben ausgemalt und vermutlich hatte er damit sogar recht. Das Amazonas-Projekt war etwas, worauf sie alle sehr, sehr lange hingearbeitet hatten.
Schließlich hatte er den silbergrauen Audi gestartet und war zur Konferenz gefahren. Die Wissenschaft rief, und anschließend die Getränkeauswahl in der ersten Klasse an Bord der 747.
Und damit hatte Peter Singer das Ende der kleinen Familie besiegelt, die einst seine Familie gewesen war.
Zweiter Versuch
Murnauer-Militärlabore, Sachsenwald
D as Pochen in seinem Schädel hatte etwas nachgelassen. Sogar die bunten Schlieren begannen sich allmählich zu verziehen. Singer sammelte seine Kräfte erneut und gab den verklebten Schlitzen, die angeblich seine Augenlider waren, den mentalen Befehl, sich zu heben und furchtlos dem zu begegnen, was die Welt für ihn bereithielt.
Was auch immer das sein mochte.
Sein Mut wurde prompt mit einem stechenden Schmerz belohnt, als sich der grelle Lichtstrahl erneut in seine überempfindliche Netzhaut bohrte. Er stöhnte auf und seine Pupillen rollten schutzsuchend zurück in seine Augenhöhlen. Ein zuckendes Negativbild der Neonröhre, in die er geblickt hatte, gesellte sich zu seinen alten Freunden, den wabernden Schlieren. Beim nächsten Mal würde er vorsichtiger sein, dachte er,
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