Draakk: Etwas ist erwacht. (Horrorthriller) (German Edition)
überhaupt, wenn doch die Tür zum Gang sperrangelweit offen stand? Wo waren die luftdichten Plastikzelte und die Filtereinheiten, wo waren die Ärzte in Schutzanzügen, die um ihn herumwuseln und wichtige Dinge auf Klemmbrettern notieren sollten?
Singer beschloss, dass dies eindeutig zu viele und zu brennende W-Fragen waren, um sie unbeantwortet zu lassen. Er würde einen Ausflug machen. Mit einem beherzten und nicht minder schmerzhaften Ruck zog er die Kanüle aus der Vene in seiner Armbeuge, und prompt begann ein kleiner Blutstrom aus der offenen Wunde zu quellen. Singer presste Zeige- und Mittelfinger seiner linken Hand auf die Wunde, was die Situation allerdings kaum verbesserte – nun quoll das Blut in dicken Strömen zwischen seinen Fingern hervor. Sie hatten ihm einen Blutverdünner gegeben, natürlich.
Er schaute sich in dem Krankenzimmer um. Auf einem kleinen Tischchen – allerdings momentan leider deutlich außerhalb seiner Reichweite – lagen tatsächlich einige Päckchen, die Singer als unbenutzte Mullbinden identifizierte. Er schwang seine Beine aus dem Bett und unternahm einen großen Schritt in Richtung des Tisches mit den Binden. Weit kam er allerdings nicht – seine kraftlosen Beine versagten ihm den Dienst, sodass er prompt und ziemlich unsanft auf die harten Fliesen plumpste.
Für einen Moment lauschte er dem Echo seines Aufschlags, das in den Gängen nachhallte – keine Reaktion, keine trippelnden Füße aufgeregter Schwestern, die im Laufschritt zu ihm unterwegs waren, um ihn zurück ins Bett zu hieven und ihn einen ganz und gar ungehorsamen Jungen zu schelten. Für ein State-of-the-Art-Labor war das Personal der Krankenstation jedenfalls ganz schön lahm. Oder taub.
Er unterdrückte einen Fluch und robbte auf Knien und Unterarmen weiter in Richtung Tisch, wobei er eine dünne Blutspur hinter sich herzog. Als er angekommen war, angelte er blind mit seiner Linken nach den Mullbinden auf der Tischplatte, bis er etwas Weiches, in Papier Gepacktes zu fassen bekam. Mit den Zähnen riss er das Päckchen auf und presste eine zusammengewickelte Binde in seine rechte Armbeuge, bevor er diese mit dem Inhalt der zweiten Packung straff zu umwickeln begann. Er machte einen Knoten und begutachtete sein Werk. Der Verband sah alles andere als schön aus, würde aber seinen Zweck erfüllen und die Blutung vorerst stoppen.
Nach einer weiteren Verschnaufpause versuchte er, immer noch nackt, auf seine Knie und anschließend auf seine Füße zu kommen. Er zog sich an dem kleinen Tisch hoch, und schließlich stand er, an den Schrank gelehnt und wartete darauf, dass sein Schwindelgefühl verging.
Auf einem Hocker neben seinem Bett entdeckte er eine komplette Garnitur der reinweißen, taschenlosen Standardkluft, wie er sie seit seiner Ankunft im Labor getragen hatte. Er zog sie an.
Nachdem er sich in Schale geworfen hatte, trat er entschlossen, wenngleich immer noch auf etwas wackligen Beinen, auf den Gang hinaus. Dieser präsentierte sich in ungewohnt schummrigem Rot-Gelb. Singer brauchte eine kleine Weile, um zu kapieren, dass dieses anheimelnde Lichterlebnis von den Notleuchten herrührte, die im Flur an den Wänden hingen. Pufflicht der überaus gespenstischen Art, aber eine willkommene Abwechslung nach dem gleißenden Inferno in seinem Krankenzimmer.
Singer rief ein kräftiges »Hallo?« in den Gang hinein. Keine Antwort, außer dem Echo seiner Stimme, das unheimlich in dem langen Gang verhallte. Danach spürte Singer kein gesteigertes Bedürfnis mehr, akustisch auf sich aufmerksam zu machen. Es würde niemand kommen, um ihm zu helfen. Also machte er sich daran, den riesigen Komplex auf eigene Faust zu
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