Drachen-Mädchen
ihren Vater Donnerkeile geschmiedet. Doch dann war der Himmel auf sie eifersüchtig geworden, hatte ihnen ihre Kraft genommen und sie verbannt. Ihre Mutter, die Erde, hatte sie in ihrem Reich aufgenommen, konnte aber nicht mehr für sie tun, weil sie nicht so stark war wie ihr Vater; außerdem liebte sie den Himmel. »Wird manchmal stürmisch«, hatte sie zwar zugegeben, »aber hat so schöne blaue Augen. Außerdem brauche ich den Regen, den er mir schickt.«
Also hatte Brontes sich hier in dieser verborgenen Höhle eine lange Zeit versteckt, hatte es nicht gewagt, bei Tag hinauszugehen, weil er den Zorn seines Vaters, des Himmels, fürchtete, und seine Macht des Donnerns hatte sich der Emporkömmling Wolkenkönig Fracto angeeignet, der früher einmal nur ein kleiner Nebel gewesen war. Brontes war allein; was ihm am meisten fehlte, das war die Gesellschaft seiner Brüder, aber er wußte nicht, wo sie waren, und wagte es nicht, sich zu weit von seiner Höhle zu entfernen, um nicht im Freien erwischt zu werden, wenn einer derselben Donnerkeile, die er in seiner Jugend zu schmieden geholfen hatte, auf die Erde geschleudert wurde.
»Ach, das ist aber eine traurige Geschichte!« rief Ivy. »Wir müssen dir unbedingt helfen, deine Brüder wiederzufinden.«
»Wie denn«, fragte Brontes, den der Vorschlag interessierte, obwohl er keine sonderlichen Hoffnungen in ihm zu wecken vermochte. Denn seine Brüder waren schon seit langem verschollen.
»Alles, was man braucht, ist eine positive Einstellung«, sagte Ivy fröhlich. »Wenn ich glaube, daß ich etwas tun kann, zum Beispiel gut sprechen, dann versuche ich es – und siehe da, ich kann es plötzlich. Als Hugo wirklich versucht hat, gutes Obst herbeizuzaubern, da funktionierte es. Und Stanley konnte plötzlich heißeren Dampf hervorbringen, als er es versuchte. Wenn du also wirklich versuchen solltest, deine Brüder zu finden, würde es dir bestimmt gelingen.«
»Ich habe doch schon versucht, sie zu finden, seit wir verbannt wurden!« rief Brontes. »Warum sollte es dann jetzt plötzlich klappen?«
Wie üblich, ignorierte Ivy, was sie nicht beantworten konnte. Das war eine sehr wirkungsvolle Taktik. »Du hast ein so schönes großes Auge, ich glaube, damit kannst du bestimmt sehr gut sehen. Warum versuchst du’s nicht mal?«
»Na schön«, stimmte der Zyklop ihr zu, um ihr nicht zu widersprechen, denn sie war ein wirklich süßes Kind. Brontes spähte aus der Höhlenöffnung in den Wald hinaus. Dort gab es eigentlich nicht sehr viel zu sehen.
Da richtete er sich plötzlich auf. »Ich kann wirklich sehr gut sehen!« rief er. »Ich kann durch die Bäume hindurchsehen! Das habe ich noch nie gekonnt!«
»Er spricht jetzt auch viel besser«, bemerkte Hugo.
»Du hast es früher eben nie wirklich versucht«, sagte Ivy mit Bestimmtheit. Sie war es gewöhnt, daß Leute ihre eigenen Kräfte unterschätzten.
Brontes richtete seinen Blick auf sie. »Ich kann sogar durch die Höhlenmauer schauen!« sagte er erstaunt. »Durch den Berg selbst!«
Der Zyklop freute sich. »Jetzt kann ich ganz Xanth sehen!« Er. ließ seinen Blick schweifen. »Und dort – dort ist ja mein Bruder Steropes! Oh, der sieht aber gealtert aus! Er ist in einer Höhle auf der anderen Seite dieses Berges! Das habe ich ja gar nicht gewußt! Und Arges – der ist im nächsten Berg, gegenüber! Schätze, wir haben einfach in verschiedenen Richtungen nacheinander gesucht! So nahe beieinander, und doch so fern!«
»Ich wußte doch, daß du es kannst!« sagte Ivy und klatschte vor Freude in ihre kleinen Hände.
Hugo spähte ebenfalls aus dem Höhlenausgang. »Es wird langsam richtig Tag«, sagte er. »Wir sollten uns jetzt auf den Weg machen.«
»Wenn ihr bis zur Nacht wartet, kann ich euch ein Stück tragen«, erbot sich Brontes.
Ivy dachte darüber nach. »Nein, du mußt deine Brüder in der Nacht treffen. Wir mögen den Tag; der Himmel hat nichts gegen uns. Wir werden jetzt gehen.« Sie lächelte schüchtern. »Aber wir werden doch immer Freunde bleiben, nicht wahr?«
»Freunde«, stimmte der Zyklop ihr zu. Er fischte in seiner Uniform nach einem Gegenstand und holte schließlich einen leicht verkohlten Knochen hervor. »Kaue darauf. Wenn du mich in der Nacht brauchst, dann eile ich dir zur Hilfe. Das ist die einzige Magie, die ich besitze. Ich hatte noch nie Gelegenheit, sie zu benutzen – aber früher hatte ich ja auch nie einen Freund.«
»Prima, danke, das werde ich tun!« sagte Ivy und nahm den
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