Drachenauge
Fleischstücke prasselten auf ihn nieder. Er merkte erst, dass M'leng immer noch unter ihm lag, als dieser jählings fortgezerrt wurde.
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Zu seinem Entsetzen gewahrte er eine riesige braune Pranke, deren gelbe Krallen sich in einer Schulter seines Geliebten verankert hatten. Blut quoll aus den Wunden.
Trotz seiner unerträglichen Schmerzen warf er sich
schützend über M'leng und schlug auf die Tatze ein, bestrebt, das Untier zum Loslassen zu bewegen.
Plötzlich entfernten sich die Drachen ein Stück, und er konnte wieder frei durchatmen. Er hob den Kopf und sah, dass Ormonth und Sith ein Rudel von gelbbraunen, mageren Kreaturen in die Flucht trieben, die die Felsformation umzingelten. Die Drachen packten sie bei den Schwänzen oder Hinterläufen und schleuderten die fauchenden und sich krümmenden Bestien durch die Luft. Ein Untier behauptete die Stellung und hieb mit der Pranke nach Siths Kopf.
»M'leng, M'leng, so antworte mir doch!«, schrie
P'tero und versuchte, seinen Geliebten aus der Ohn—
macht zu schütteln.
Dann fiel P'teros Blick auf ein Paar Stiefel, die neben M'lengs Kopf auftauchten.
»Hilfe, Hilfe!«, ächzte er, nach den Stiefeln greifend.
»So helft mir doch, ich sterbe!« Vor Schmerzen wurde er fast wahnsinnig.
»Wo bleibt der Fellis-Saft? Her mit dem Taubkraut!«
Während P'tero langsam das Bewusstsein verlor,
fragte er sich flüchtig, wie um alles unter der Sonne Zulaya hierher kam, und ob seine letzte Stunde geschlagen hätte.
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KAPITEL 16
Cathay, Telgar-Weyr, Burg Bitra, Telgar
'tero starb nicht, obwohl er sich manchmal wünsch—
Pte, es wäre so gewesen. Er schämte sich, weil er sich von einem Raubtier hatte angreifen lassen, weil M'leng verwundet worden war und weil er sich die Schuld dafür gab, dass neun Drachen Blessuren davongetragen hatten.
Und das alles war passiert, trotz K'vins ausdrücklichen Warnungen. Mochte M'leng noch so oft betonen, er hätte ihm das Leben gerettet – seine Schulterwunde musste genäht werden – P'tero machte sich die größten Vorwürfe.
Sowohl Sith als auch Ormonth waren nicht ungescho—
ren davongekommen, denn die Bestien hatten nicht
kampflos die Flucht ergriffen. Eine von ihnen hatte sich in Meranaths vordere Pranke verbissen und ihr eine tiefe Kratzwunde am Kopf zugefügt.
P'tero fühlte sich nicht in der Lage, Zulaya in die Augen zu sehen. V'lasts Collith hatte eine Wunde an einer Tatze, die bis auf den Knochen ging. Die Drachen hatten sich mit den Löwen einen wüsten Kampf geliefert, denn die Katzen kannten keine Furcht vor den Drachen, und das gesamte Rudel von vierzehn ausgewachsenen Raubtieren war an der Beißerei beteiligt gewesen.
Meranath hatte auf Ormonths Hilfeschrei hin sofort
reagiert; alles war so schnell gegangen, dass sie ohne Zulaya abgeflogen war. Die Weyrherrin hatte sich darüber sehr gewundert, denn normalerweise taten Drachen so etwas nicht. Später erfuhr P'tero von Leopol, Zulaya sei froh gewesen, dass ihre Königin sie so einfach verlassen 401
hatte, denn während des Vorfalls schwamm sie gerade im Meer, und es hätte ihr ganz und gar nicht gepasst, triefnass von Meranath auf deren Rücken gehievt zu werden. Doch so bald wie möglich war sie zusammen
mit V'last, K'vin und anderen der Königin gefolgt.
Leopol genoss es, die ganze Geschichte auszuschmü-
cken. »Zulaya ärgerte sich, weil die Drachen die Löwen fraßen und ihr nicht die guten Felle überließen.«
P'tero schnappte nach Luft. »Die Drachen fraßen die Löwen?«
»Warum denn nicht?« Gleichmütig zuckte der Junge
die Achseln. »Das gesamte Rudel stürzte sich auf die Drachen, die jedoch mit den Katzen kurzen Prozess machten. Nur die Löwenkinder ließen sie in Ruhe, obwohl ein paar Leute meinten, man hätte sie auch gleich töten sollen. V'last erzählte, seinem Collith hätte das Löwenfleisch ganz gut geschmeckt, er fand es nur ein bisschen zäh. Aber Zulaya war wütend, denn sie hätte gern ein Löwenfell als Decke für ihr Bett gehabt.«
P'tero schüttelte sich. Mit Löwen wollte er nie wieder etwas zu tun haben.
»Du hättest dich sehen sollen, wie man dich hierher brachte, P'tero«, fuhr Leopol fort. »Charanth trug dich in seinen Armen.«
»Tatsächlich?« Wieder regte sich in P'tero das schlechte Gewissen.
»Und O'neys bronzener Queth transportierte M'leng.
Dein Geschwader half Ormonth und Sith, das Lager zu erreichen. Gorianth und Spelth nahmen sie praktisch Huckepack. Die anderen Drachen waren ziemlich
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