Drachenauge
Rückflug anzutreten. In dem provisorischen Lazarett fanden sich noch mehr Kranke ein, denn der Südkontinent war nicht nur wegen seiner angriffslustigen Raubkatzen ge-fährlich. Manch einer holte sich einen Hitzschlag, einen Sonnenbrand oder andere leichtere Verletzungen. Leopol trat sich einen Dorn in den Fuß; die Wunde begann zu eitern, und er leistete P'tero Gesellschaft, bis das Gift aus dem Körper geflossen war.
Tisha und eine andere Frau litten an einem Fieber. Vorsichtshalber ließ Maranis einen Arzt kommen, der sich mit solchen Erkrankungen besser auskannte als er. Die Frau erholte sich nach ein paar Tagen, doch Tisha ging es sehr schlecht, und sie verlor etliche Kilos.
Die plötzliche Gewichtsabnahme und die hohe Kör—
pertemperatur schwächten sie ungemein. Maranis war
äußerst besorgt. K'vin forderte von Ista ein Schiff an, das sie auf den Nordkontinent befördern sollte, denn in ihrem Zustand konnte sie nicht auf einem Drachen reiten.
Tishas Erkrankung legte sich allen Weyrleuten schwer aufs Gemüt.
»Man merkt erst, wie sehr man an einem Menschen
hängt«, meinte Zulaya, »wenn man Gefahr läuft, ihn zu verlieren.«
Ihre Bemerkung traf P'tero bis ins Mark. Doch dieses 405
Mal war Tisha nicht da, um ihn aus seiner Depression zu reißen. M'leng versuchte, ihm zu helfen.
»Warum entwickelst du diese Schuldgefühle?«, fragte der grüne Reiter seinen Freund. »Du kannst nichts dafür, dass Tisha krank wurde. Und auch mit Leopols Verletzung hast du nichts zu tun. Der Junge trug keine Schuhe, obwohl man ihm verboten hatte, barfuß zu gehen, und dass er sich einen Dorn eintrat, hat er sich allein zuzuschreiben. Du bist nicht einmal verantwortlich für den Angriff durch die Löwen, woher solltest du wissen, dass sie ausgerechnet in dieser Felsformation hausten? So etwas nennt man Pech. Und hör auf, dich mit Selbstvorwürfen zu quälen, du beunruhigst nur unsere Drachen.«
P'tero brach in Tränen aus. Es war genau das eingetreten, was er befürchtet hatte: M'leng liebte ihn nicht mehr.
Dann legte M'leng vorsichtig seinen Arm um P'teros
Schulter und zog ihn sanft an seine Brust. Mit zärtlichen Küssen und Liebkosungen versuchte M'leng, seinen Geliebten zu trösten.
»Sei nicht dumm, du Dummkopf. Wie könnte ich aufhören, dich zu lieben?«
Später wunderte sich P'tero, wie er je an M'leng hatte zweifeln können.
Als die Rekonvaleszenten in den Telgar-Weyr zurückkehrten, fuhrwerkte Tisha schon wieder in der Unteren Kaverne herum. Man sah, dass sie Gewicht
verloren hatte, doch von der Seereise war ihre Haut ge-bräunt und sie sah wieder putzmunter aus.
Ein paar der grünen und blauen Reiter aus dem Geschwader hatten P'teros und M'lengs Weyr renoviert.
Die abgewetzten Kissen hatte man durch neue, dickere ersetzt.
»Tisha meint, du müsstest die nächste Zeit auf etwas Weichem sitzen«, erklärte Z'gal und kicherte hinter vorgehaltener Hand. Er spielte auf die Narben an, die nicht 406
nur P'teros Rücken, sondern auch sein Gesäß und die Schenkel bedeckten. »Lady Salda hat uns die Federn für die Kissen geschenkt.«
Dann holte Z'gals Geliebter, T'sen, etwas hinter seinem Rücken hervor. Verwirrt starrte P'tero darauf. Es war eine Art Sitzpolster mit langen Bändern.
»Was ist das?«
Z'gal bekam einen Lachanfall. T'sen funkelte ihn
wütend an und hielt P'tero das Geschenk entgegen.
»Etwa zum Draufsitzen, was denn sonst? Es passt genau zwischen die Nackenwülste deines Drachen. Wir haben Maß genommen.«
P'tero bedankte sich höflich. Ihm machte weniger sei-ne Sitzfläche Sorgen, sondern die Beine, deren Muskeln durch das lange Liegen stark geschwächt waren.
M'leng massierte ihn eifrig, doch P'tero fürchtete, er könne immer noch nicht ganz auf dem Posten sein, wenn der Fädenfall begann. M'leng war an einer günstigeren Stelle verletzt worden. Er würde keinen einzigen Einsatz verpassen.
Es gab Wein, Gebäck und Käse für eine kleine Party.
M'leng überraschte P'tero, indem er ihm zur Feier des Tages ein flaches, eingewickeltes Päckchen übergab.
Mit leuchtenden Augen sah M'leng zu, wie P'tero das Paket auspackte.
»Iantine ist wieder da«, verkündete M'leng, während er aufmerksam jeden einzelnen von P'teros Handgrif-fen verfolgte.
Die anderen Reiter waren genauso gespannt. P'tero
wurde ein bisschen verlegen, weil alle offenbar wussten, was das Paket enthielt und nur auf seine Reaktion lauerten.
Als P'tero dann einen ersten Blick auf das Bild warf, verschlug
Weitere Kostenlose Bücher