Drachenauge
T'lel?
Kein Wunder, dass ihr Reiter so dünn seid. Anders findet ihr zwischen diesen Knochenwülsten ja keinen Platz. Gibt es denn keine Drachen, die Widerriste für stärker gebaute Leute entwickeln? Charanth ist viel größer als Branuth … Wieso nimmst du mich nicht auf deinem Drachen mit, K'vin?«, zeterte Tisha.
K'vin bemühte sich, nicht lauthals loszuprusten, weil er seine Würde als Weyrführer wahren wollte. Doch er wagte es nicht, zu Tisha hinzusehen. Stattdessen nahm er all die anderen Drachen samt Reitern in Augenschein. Er spähte nach oben zum Felssims, wo weitere Drachen auf den Abflug warteten, in respektvollem Abstand von dem neu errichteten Observatorium, bestehend aus Augenstein und Fingerfelsen. Dann hob er den Arm.
Charrie, sie sollen in der Luft ihre Geschwaderposition einnehmen.
Sie wissen Bescheid. Charanth hörte sich ein bisschen gelangweilt an, denn dies war ein Routinedrill. Begütigend tätschelte K'vin seinen Hals, während er den erhobenen Arm niedersausen ließ.
Die Drachen stiegen aus dem Kraterkessel empor, mit ihren gewaltigen Schwingen Staub und Kies hochwir-belnd. Als Nächstes folgten die Drachen auf dem Felssims, um sich ihren jeweiligen Geschwadern zuzuord-nen. Über allen anderen Formationen kreisten Zulaya und die übrigen Königinnenreiterinnen.
Das hat ja bestens geklappt. Auf geht's, Charrie.
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Mit einem kräftigen Satz stieß sich nun auch der
große Bronzedrache vom Boden ab. Ein, zwei Schwingenschläge, und er nahm seine Position vor den Königinnen ein. Köpfe wurden emporgereckt, und Charanth flog einen Bogen gen Osten, damit alle den Weyrführer sehen konnten.
Informiere den Weyr, dass unser Ziel das Asowsche Meer ist.
Längst geschehen!
K'vin gab das Zeichen, ins Dazwischen zu gehen. Das komplette Geschwader verschwand zur selben Zeit vom Himmel.
Drei Sekunden später schlug ihm die heiße Luft über dem Asowschen Meer ins Gesicht, als hätte ihm jemand ein angewärmtes Handtuch über Mund und Nase gehalten. Charanth grummelte vor Wohlbehagen.
K'vin interessierte sich viel mehr dafür, ob die Drachen im Formationsflug eingetroffen waren. Er schmunzelte zufrieden, als er die mustergültige Ordnung sah.
Sag den Geschwaderführern, sie sollen ihre Reiter zu den jeweiligen Zielorten bringen.
Ein Geschwader nach dem anderen drehte ab, mit
Ausnahme von T'lels Crew, die am Strand bleiben woll-te. Auch die Königinnen glitten zur Wasserlinie hinab, denn sie beförderten die Lebensmittel, aus denen Tisha die abendliche Mahlzeit zubereiten musste.
Lass uns abwarten, bis alle gelandet sind , befahl K'vin Charanth, obwohl er zu gern dabei gewesen wäre, wenn Tisha von Branuth hinuntergehoben wurde. Doch
er war nicht wenig besorgt, als er sah, wie ein brauner Drache sich vom Geschwader absonderte und dicht vor der Küste im Wasser niederging. Auch Charanth beobachtete das Schauspiel.
Branuth sagt, sie hätte es so gewollt. Sie wird sich von seinem Rücken ins Wasser fallen lassen und an Land schwimmen , erklärte Charanth. K'vin kicherte.
Das ist ein viel würdevollerer Abgang als zu Lande.
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Branuth sagt, das ist auch für ihn viel einfacher. Aber daheim in Telgar wird er es nicht so machen.
Kein Wunder, wenn man bedenkt, wie kalt das Wasser um diese Jahreszeit ist.
Können wir jetzt landen? Branuth sagt, die Sonne scheint warm.
Ich dachte, du wolltest Beute jagen.
Später. Zuerst will ich mich aufwärmen.
Alle Drachen schienen das gleiche zu empfinden wie
Charanth, und bald waren sowohl der Kiesstrand wie
auch das dahinter liegende Land mit Drachenleibern
bedeckt. Der Bereich der Küste war dicht mit Strauch-werk bestanden, das einen angenehmen Duft verströmte, wenn es von den schweren Tierkörpern zerquetscht wurde.
Tisha schickte ein paar Leute los, um Brennholz und große Steine für ein Lagerfeuer zu suchen. Außerdem sollten sie an Früchten einsammeln, was sie finden konnten. Eine andere Gruppe bezog Posten auf weit ins Meer hineinragenden Felsblöcken, um von dort aus zu angeln.
»Ich gehe schwimmen!«, rief Zulaya K'vin zu, als
Charanth zur Landung ansetzte. Sie zog sich bereits die Jacke aus. »Meranath möchte auch ins Wasser.«
Nachdem sie ihre Kleidung säuberlich zusammengefaltet auf einen Stein gelegt hatte, rannte sie zur Wasserlinie.
»Und was ist mit den Würmern?«
»Die können warten«, rief sie über die Schulter zurück, während sie bereits durch die Dünung watete.
Wir müssen doch nicht gleich
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