Drachenauge
es ihm die Sprache.
»Aber Iantine war ja nicht einmal dabei!«, staunte er.
»Er ist eben ein hoch begabter Künstler mit viel
Phantasie«, meinte Z'gal. »Hat er die Szene richtig 407
hinbekommen? M'leng hat sie ihm oft genug beschrieben …«
P'tero wusste nicht recht, was er darauf antworten
sollte, so bestürzt war er. Er hätte seinen rechten Arm hergegeben, wenn das Bild der Wahrheit entsprochen hätte. Der Löwe hatte sich in seinen Rücken verkrallt, unter ihm lag M'leng, und ein ganzes Rudel Raubkatzen kletterte die Felsen hoch. Ihre weit aufgerissenen Rachen waren mit dolchartigen Zähnen bewehrt, und ihre ganze Haltung drückte Angriffslust aus.
P'tero war offensichtlich dabei, seinen Geliebten zu beschützen. Mit hoch erhobenem Kopf, einen Arm ausgestreckt, die Hand zur Faust geballt, zielte er auf den wuchtigen Kopf eines angreifenden Löwen. Doch das war nicht die krasseste Ungenauigkeit. Auf dem Bild hatte Iantine die beiden Reiter voll angekleidet dargestellt.
»P'tero?«, sagte M'leng.
Der blaue Reiter schluckte krampfhaft. »Ich bin über-wältigt.«
Wo bin ich zu sehen? , wollte Ormonth wissen, der sich durch die Augen seines Reiters das Bild anschaute.
»Dort.« P'tero deutete auf die Drachen, die in Lande-formation am Himmel kreisten, die Krallen ausgefahren, mit orangerot glühenden Augen, bereit, sich auf die Bestien zu stürzen.
»Ich war natürlich bewusstlos«, fuhr M'leng fort.
»Aber genauso hätten sich Ormonth und Sith verhalten.
Hab ich Recht?« Warnend stieß er P'tero an.
»Und ob«, versicherte P'tero hastig. Vermutlich hatte es sich ähnlich abgespielt, aber just in diesem Moment war er zu abgelenkt gewesen, um nach oben zu schauen. »Alles ging so furchtbar schnell … Es ist beinahe unheimlich, dass Iantine so viel in einer einzigen Szene untergebracht hat.« Sein Erstaunen war nicht gespielt.
M'leng deutete auf die Wand. »Den Haken, um das
Bild aufzuhängen, haben wir gleich mitgebracht.«
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»Möchtest du das Bild haben?«, fragte P'tero hoffnungsvoll.
»Ich besitze eine Kopie davon. Iantine hat für jeden von uns ein Bild angefertigt.« Stolz sah M'leng seinen Geliebten an.
So kam es, dass P'tero ein Bild in seinem Weyr hängen hatte, das ihn an den schwärzesten Tag seines Lebens erinnerte. Obendrein befand es sich an einer Stelle, auf die er jeden Morgen gleich beim Aufwachen blickte.
»Du kannst dir gar nicht vorstellen, was das für mich bedeutet«, erklärte er wahrheitsgemäß seinem Freund.
Keiner wunderte sich, dass er sich an diesem Abend
einen Rausch antrank.
lanath kommt , berichtete Charanth seinem Reiter.
»Meranath hat es bereits gemeldet«, erwiderte Zulaya, ehe K'vin antworten konnte. »Er möchte alles über unsere Exkursion in den Süden wissen.«
»Ich dachte, er hätte seinen Plan aufgegeben, den ersten Fädenfall im Süden zu Trainingszwecken zu benutzen«, entgegnete K'vin. Er bemühte sich, gleichgültig zu klingen.
Zulaya legte einen Finger an ihre Lippen und deutete auf die schlafende Meranath. K'vin fasste dies als Zeichen auf, seine Gedanken zu hüten, damit Charanth, der draußen auf dem Felssims hockte, nichts mitbekam.
Er nickte verstehend.
»Mir machst du nichts vor, Kev.« Sie drohte ihm mit dem Zeigefinger. »Du und B'nurrin, ihr beide würdet viel darum geben, beim ersten Fädenfall dabei zu sein –selbst wenn er im Süden stattfindet, wo er keinen
großen Schaden anrichten kann.«
»Wie du weißt, haben sich die Würmer nicht über
den gesamten Südkontinent verbreitet.«
»Sicher. Aber dir kommt es nur darauf an, den ersten Fädenschauer mit eigenen Augen zu sehen.«
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Er grinste verschämt. »Wir brauchen die Drachen ja
nicht zu gefährden.«
»Gewiss könnt ihr vorsichtig sein. Aber möchtest du S'nan einen Grund liefern, mit dem er dich die nächsten fünfzig Jahre oder so schikanieren kann? Mit diesen Flausen im Kopf bleibst du vielleicht gar nicht so lange Weyrführer.«
K'vin bedachte sie mit einem langen Blick. »Erzähl du mir nicht, dass es dich kalt lässt, wenn Sarai beim ersten Kampfeinsatz das Königinnengeschwader anführt.«
Zulaya zuckte leicht zusammen. Doch K'vin wusste,
dass er ins Schwarze getroffen hatte. Sie war ehrlich genug, es zuzugeben.
»Aber wir wissen noch gar nicht mit Bestimmtheit,
was B'nurrin auf dem Herzen hat«, fuhr sie fort.
Doch über genau dieses Thema wollte B'nurrin mit
den Weyrführern sprechen, nachdem sie ihm von ihrem abenteuerlichen
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