Drachenauge
waren doch nur fünf Mädchen gewesen, oder? Obwohl er sich freute, einen weiteren weiblichen Aspiranten zu sehen. Und der Grüne hatte sich eindeutig für sie entschieden, denn er stieß den Jungen beiseite, der sich ihm in den Weg stellte und peilte unbeirrt das Mädchen an.
Unterdessen marschierten drei Männer in die Bruthöhle, mit wütenden Gesichtern, derweil T'dam versuchte, sie nicht in die Nähe des soeben geprägten grü-
nen Paares kommen zu lassen.
»Debera!«, brüllte der Mann, der den kleinen Trupp
anführte. Sein Arm schnellte vor, und er riss das Mädchen von dem grünen Jungdrachen weg.
Das war eine ausgemachte Torheit, dachte K'vin, der über den Sand hetzte, um die drohende Katastrophe ab-zuwenden. Verflixt noch mal! Wie konnten diese Kerle es wagen, einen so erhabenen Moment zu stören? Das Schlüpfen der Drachen war eine sakrosankte Angelegenheit!
Ehe K'vin den Schauplatz erreichen konnte, wehrte
sich der grüne Drache dagegen, von seiner auserwählten Partnerin getrennt zu Werden. Er richtete sich auf die Hinterbeine auf, obschon er noch Mühe hatte, das Gleichgewicht zu halten. Mit den kurzen, krallenbe-wehrten Vordergliedmaßen stürzte er sich auf den Mann.
K'vin sah noch den entsetzten Gesichtsausdruck des
Kerls und die Angst, die sich auf den Zügen des Mädchens abzeichnete, dann hatte der Grüne den Mann zu Boden geworfen und schickte sich an, seinen Kopf mit den Kiefern zu zermalmen.
T'dam, der näher dabei war, eilte zu Hilfe. Das Mäd-90
chen Debera trachtete gleichfalls danach, ihren Drachen von ihrem Vater zu trennen, denn so nannte sie den auf dem Sand liegenden Mann.
»Vater! Vater! Lass ihn in Ruhe, Morath! Jetzt kann er mich zu nichts mehr zwingen, ich bin eine Drachenreiterin. Morath, wirst du wohl auf mich hören!«
Wenn K'vin nicht so besorgt gewesen wäre, Morath
hätte den Mann bereits verletzt, hätte er über Deberas autoritäres Gebaren herzlich gelacht. Instinktiv schlug das Mädchen ihrem frisch geschlüpften Schützling gegenüber den richtigen Ton an. Kein Wunder, dass man sie gesucht und gefunden hatte … außerdem musste sie aus einer nahe gelegenen Festung stammen.
K'vin half Debera, während T'dam den gestürzten
Mann aus der Reichweite des Drachen schleifte. Dann übernahmen ihn seine Gefährten und brachten ihn noch ein Stück weiter in Sicherheit, derweil Morath unentwegt kreischte und zu einem neuerlichen Angriff übergehen wollte.
Er wollte dir etwas antun. Er wollte Besitz von dir ergreifen. Du bist die meine, und ich bin dein, niemand darf sich zwischen uns stellen , äußerte Morath so heftig, dass jeder Drachenreiter sie hören konnte.
Zulaya trat zu der Gruppe und bückte sich, um die
Verletzungen des Mannes zu untersuchen. Dann
schickte sie nach dem Sanitäter, der die oberflächlichen Blessuren behandelte, die bei Ereignissen wie diesen immer wieder vorkamen. Zum Glück besaß Morath noch keine Reißzähne und hatte dem Mann mit ihren
zwar jungen, aber dennoch scharfen Krallen lediglich Kratzer im Gesicht und an der Brust zugefügt. Das Lederwams hatte den Kerl vor schwereren Läsionen bewahrt.
Mittlerweile hatten die meisten der Jungdrachen die Brutstätte verlassen und ließen sich zum ersten Mal von ihren Partnern füttern. Die Zuschauer trollten sich aus den gestuften Reihen des Amphitheaters und reckten 91
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den Hals, um einen Blick auf den verwundeten Mann
zu werfen. Zweifelsohne würden sie den Vorfall bei
jeder sich bietenden Gelegenheit zum Besten geben.
K'vin hoffte, die Ausschmückungen hielten sich in
Grenzen. Nun musste er sich mit dem Zwischenfall
beschäftigen.
»Könntest du uns vielleicht aufklären, was das Ganze zu bedeuten hatte?«, fragte er Debera. Wie das Mädchen so vor dem Weyrführer und der Weyrherrin stand, kamen ihr plötzlich Zweifel und Bedenken.
»Man hat mich gesucht«, erwiderte sie, während sie
Morath streichelte, die zärtlich ihren Kopf an Deberas Schulter rieb. »Ich hatte das Recht, hierher zu kommen.
Und ich wollte dabei sein.« Ungeduldig wies sie auf ihren immer noch am Boden liegenden Vater. »Aber sie zeigten mir nicht einmal den Brief mit der Einladung.
Er will mich verheiraten, weil er mit Boris ein Abkommen wegen irgendwelcher Schürfrechte hat, das in Kraft tritt, wenn Ganmar mich zur Frau nimmt. Bloß
dass ich mir nichts aus Ganmar mache und vom Bergbau nichts verstehe. Ich wurde gesucht, und es steht mir zu, über mein Schicksal zu entscheiden.«
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