Drachenblut

Fehlleistungen
beschränken sich auf das Kurzzeitgedächntis, dein Langzeitgedächtnis scheint intakt zu sein.« Windblüte sah ihm aufmerksam in die Augen. »Dein Wissen über Genetik ist noch komplett vorhanden – und das ist gut so!«
    Â»Ja«, seufzte Windblüte und begab sich zur Tür. »Aber da wäre noch etwas – ich versuche, mich selbst in plastischer Gesichtschirurgie auszubilden, Janir.«
    Sie ging aus dem Zimmer, ehe der verlegen dreinblickende Heiler eine Antwort gefunden hatte.
    Â 
    Tieran beugte sich nach vorn und trommelte mit Verve das Entwarnungs-Signal. Seit er den Trommelturm zu seinem Zufluchtsort auserkoren hatte, war aus dem linkischen Sechzehnjährigen ein kräftiger junger Mann geworden. Er war groß, schlank, und von der täglichen Arbeit mit den Trommeln hatte er stramme Muskeln entwickelt.
    Er lächelte zufrieden, als er das Echo seiner Trommelschläge hörte, das von der steilen Felswand zurückgeworfen wurde, in deren Höhlensystem sich Burg Fort befand. Der Widerhall übertönte indessen nicht die Antworten der umherziehenden Trommler, die mit ihren tragbaren, kleineren und dementsprechend heller klingenden Instrumenten in den umgebenden Ansiedlungen ihren Dienst als Nachrichtenübermittler verrichteten.
    Jendel hatte Recht gehabt, als er darauf bestand, dass der Große Trommelturm zwischen Burg Fort und dem College errichtet würde. Die Klippen stellten einen natürlichen Reflektor dar, der das Geräusch der Trommel verstärkte.
    Weil der Ort, an dem die Große Trommel stand, Wind und Wetter schutzlos ausgeliefert war – und natürlich auch den Fäden – wurde sie während eines Fädenfalls in einem der Räume neben dem Trommelturm aufgestellt. Jendel hatte die Trommler darin gedrillt, die Große Trommel im Handumdrehen zu demontieren und wieder zusammenzusetzen. Tieran und Rodar, die ein Team bildeten, hatten alle Rekorde geschlagen und jedes Mal Bestzeiten herausgeholt.
    Tieran hatte sich einen günstigen Moment ausgesucht, um im Trommelturm seinen Dienst zu verrichten. Erst einen Monat zuvor war der Turm fertig gestellt worden, und Jendel probierte immer noch aus, wie man die Trommeln zur Nachrichtenübermittlung optimal einsetzte. Im
Nu hatte Tieran den Originalcode gelernt und beherrschte ihn perfekt. Dann entwickelte er neue, viel bessere Trommelcodes, welche dem ursprünglichen Alphabet weit überlegen waren. Jendel und die anderen Nachrichtentrommler waren beeindruckt und griffen die neuen Signalcodes begeistert auf.
    Als Tieran sich vor zwei Jahren buchstäblich in den Trommelturm geflüchtet hatte, rechnete er damit, dass man ihn ohne viel Federlesens zu Windblüte zurückverfrachten würde. Erst nach einem halben Jahr dämmerte ihm, dass man ihn in Ruhe ließ und seine Entscheidung akzeptierte. Und noch viel länger dauerte es, ehe er begriff, dass trotz seiner Rebellion sein Platz im College gesichert war. Keiner beabsichtigte, ihn wegen Unbotmäßigkeit hinauszuwefen.
    Tieran nutzte die hohe Lage des Trommelturms, um sich an dem phantastischen Ausblick zu weiden; ungestört konnte er sich hier aufhalten und den Geräuschen lauschen, die von unten her zu ihm heraufdrangen. Wenn er hier oben saß, zwei Stockwerke hoch und mehrere Drachenlängen sowohl vom College als auch der Burg entfernt, vermochte niemand sein Gesicht zu sehen. Auf der Spitze des Trommelturms fühlte Tieran sich als unangefochtener Herr und Gebieter über alles, was in seinem Umkreis lag.
    Er erspähte den Burgherrn Mendin, der sich zum College begab – so früh nach einem Fädenfall? Ein Stück weiter erkannte er Mendins ältesten Sohn, Leros, der schwitzend und abgekämpft von den Feldern heimschlurfte, in Gesellschaft einer Flammenwerfer Crew, die genauso erschöpft wirkte. Offenbar hatte Leros die Arbeit übernommen, für die eigentlich sein Vater zuständig war. Während er die Leute drunten beobachtete, vertiefte er sich so in seine Gedanken, dass er Jendels leichtfüßige Schritte erst hörte, als der Leitende Trommler bereits die Hälfte der Treppen erklommen hatte, die auf den Turm führten.
    Â»Tieran!«, schrie Jendel, als er den obersten Absatz erreichte. Ohne Luft zu holen fuhr er fort: »Man braucht dich dringend im College. Du sollst dich bei der Dekanin Emorra melden!«
    Verblüfft hob Tieran die