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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Low
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sein – aber dafür würden sie uns nicht danken.«
    Finn dachte nach, dann zuckte er die Schultern und ging wortlos davon, wobei er mit seinem dreckigen Fingernagel in seinen Zähnen herumstocherte. Ich entnahm seiner unbekümmerten Reaktion, dass er mir zwar recht geben musste, aber dass er trotzdem anders handeln würde. Wenn die Zeit reif war …
    Das Silber besänftigte alle. Die Slawen und meine Eingeschworenen arbeiteten ohne Murren – sie hatten entschieden, dass es ihre Beute sei – während Thordis und Thorgunna im Windschatten der Wagen ein Lager errichteten. Als die Feuer brannten und der Tag in eine kalte Nacht überging, stellte ich fest, dass Avraham und Morut verschwunden waren.
    Wir hatten Fleisch und Brot, wir saßen einigermaßen warm und geschützt – und natürlich kam es sofort wieder zu den üblichen Gruppierungen. Die Druschina hielt Abstand zu den Eingeschworenen, die lärmend und unbekümmert um ihr eigenes Feuer saßen, während der Prinz und seine beiden Ratgeber sich von uns allen zurückgezogen hatten und die Köpfe zusammensteckten. Krähenbein jedoch, der in seinem einstmals weißen Pelzumhang fast verschwand, saß bei uns, und das wärmte mich ein wenig.
    Aber die Sorge um den kleinen Eldgrim ließ mich nicht los, und ich konnte an nichts anderes denken. Ich wollte in dieses Loch hinunter, doch zu meiner Schande pflichtete ich Finn bei – seine Ausrede war, Essen und Wärme müssten Vorrang haben –, um nicht in dieses Grab steigen zu müssen.
    Ich sah Finn an, während Thorgunna und Thordis im
Topf rührten und das Essen austeilten. Die Eingeschworenen schaufelten mit ihren Hornlöffeln Pferdefleisch in die Öffnungen hinter ihren Bärten, sie schmatzten, grinsten und schnurrten wohlig wie zufriedene Kater. Wir befanden uns in dieser Wildnis, in der einem die Nase abfror, mit nichts weiter als Vadmaltuch als Schutz und zähem Pferdefleisch und Wasser als Nahrung, doch im Vergleich zu unserer bisherigen Situation waren wir alle hochzufrieden mit dem Leben.
    Nun ja, vielleicht nicht alle.
    »Diese listigen Arschlöcher planen etwas«, knurrte Finn nicht besonders leise. Jon Asanes sah hinüber zum Feuer des Prinzen, dann sah er Finn stirnrunzelnd an.
    »Er ist ein Prinz«, sagte er. »Ein Adler in einem Schwarm Spatzen. Du tust ihm unrecht, wenn du ihn listig nennst.«
    Finn massierte Pferdefett in Bart und Wangen, ein guter Schutz gegen die Kälte. Er sah Jon von oben bis unten an und schüttelte den Kopf.
    »Du magst ja in Holmgard viel gelernt haben«, stellte er fest. »Wie man in einem Dutzend Sprachen labert und in den meisten davon auch rechnet. Aber ein paar wichtige Dinge hat man dir nicht beigebracht, Ziegenjunge. Zum Beispiel, dass sich Adler nicht zu fein sind, anderen Vögeln ihre Beute abzujagen.«
    Jon sprang auf, zornrot im Gesicht. Eine Weile suchte er nach Worten, dann platzte es aus ihm heraus.
    »Der Adler ist ein edler Vogel. Und darum wirst du nie ein Prinz sein, Finn Rosskopf«, sagte er mit zitternder Stimme. »Du hast eben nicht genug von einem Adler in dir.«
    Er stürmte davon, und Finn sah hinter ihm her. Dann zog er eine Knochennadel hinter seinem verbliebenen Ohr hervor. »Mir gefiel er besser, als er noch wie eine Ziege herumsprang und uns Löcher in den Bauch fragte«, brummte
er und stocherte in den Zähnen. »Jetzt denkt er, er weiß alles und kommt dahergefegt wie der Wind in den Bäumen.«
    »Die Laune regiert das Kind wie das Wetter den Acker, wie meine Großmutter zu sagen pflegte«, bemerkte der rote Njal.
    »Die hat wohl den Ziegenjungen gut gekannt«, murmelte Finn missmutig.
    »Heya – weißt du, was mit dir los ist?«, lachte der rote Njal. »In dir steckt einfach nicht genug von einem Adler.«
    Die Knochennadel brach ab, und Finn seufzte und schüttelte traurig den Kopf.
    »Stimmt – aber ich vermute langsam, dass in unserem kleinen Griechen wirklich etwas von einem Rus-Adler stecken könnte«, sagte er mit dreckigem Grinsen und warf die Nadel fort.
    Darauf antwortete niemand, aber alle dachten an das, was sie über die unnatürlichen Gelüste der Griechen zu wissen glaubten. Ich war noch völlig überrascht von der Wendung, die das Gespräch genommen hatte, als Thorgunna sich mit scharfer Stimme einmischte.
    »Ihr solltet euch alle schämen, du, Jon Asanes und der Prinz«, sagte sie aufgebracht. »Wenn ich ein Mann wäre, Finn Rosskopf, würde ich dich verprügeln und dafür sorgen, dass du nur noch Sachen essen kannst, die

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