Drachenboot
eine Ansammlung von Knochen einschließlich eines Schädels, der uns sein Willkommen entgegengrinste. Attilas Schädel.
»Einar?«, brachte Finn mühsam heraus. Seine Lippen zitterten nicht nur vor Kälte.
Ich schüttelte den Kopf. Vor dem großen eisigen Thron lagen weitere Gebeine, einige davon stammten von Ildiko, der Prinzessin, die Attila getötet hatte – ein Handgelenk und ein Unterarm, in fünf Jahrhunderten schwarz verfärbt, hingen noch immer an der Fessel, mit dem man sie für alle Zeiten an Attilas letzten Thronsitz gekettet hatte.
Die anderen Knochen stammten hauptsächlich von Einar; ich erkannte den Schädel, an dem noch immer Strähnen seines schwarzen Haars hingen, das Einzige, was von den stolzen Krähenflügeln noch übrig war. Ich zeigte darauf, und Finn schluckte schwer und machte ein Abwehrzeichen, dann suchte er am Boden nach seinem römischen Nagel und hob ihn auf.
»Heya, alter Jarl«, flüsterte er, als fürchtete er sich, laut zu sprechen. »Du siehst, wir sind zurückgekommen. Sei freundlich zu uns.«
Irgendwie hielt ich das für nicht sehr wahrscheinlich. Ich hatte Einar auf dem Thron sitzend zurückgelassen, sterbend und mit meinem Schwert in der Brust. In ihrer rasenden Entschlossenheit, eines der beiden Runenschwerter in ihren Besitz zu bringen, hatte Hild Attilas sterbliche Überreste, die in diese kostbare Roben gehüllt gewesen waren, vom Thron gefegt.
Und doch waren sie jetzt wieder dort oben, säuberlich an ihrem Platz, während Einars Gebeine wie die eines toten Hundes zu seinen Füßen lagen. Ich suchte und fand weitere Schädel, die ich im Licht der Fackel betrachtete – Ketil Krähe, Sigtrygg, Illugi – sie alle waren hier gestorben.
Ich nannte ihre Namen, und meine Stimme wirkte fast lautlos, wie Schnee, der vom Dach fällt.
»Und Hild, Bärentöter?«, fragte Finn. Er steckte den
Nagel in seinen Stiefel und gewann langsam wieder seine alte Selbstsicherheit zurück. »Der hier scheint etwas kleiner, das ist niemand, an den ich mich erinnere. Vielleicht ist sie das.«
Ildiko, dachte ich, als er das gelbe Grinsen und die leeren Augenhöhlen der Prinzessin hochhielt, deren Arm noch immer am Thron hing. Ich erwartete nicht, die sterblichen Überreste von Hild zu finden, denn ich glaubte nicht daran, dass sie tot sei. Irgendjemand hatte Attila wieder auf seinen Thron gesetzt und damit klar gezeigt, was mit den Gebeinen von Eindringlingen geschieht. Ich sagte, ich glaubte nicht, dass dies Lambissons Werk war.
Finn runzelte nachdenklich die Stirn, er schien nicht sehr glücklich mit der Antwort. Er hielt die Fackel höher, um die schwarzen Wände näher zu beleuchten, und wollte offenbar gerade fragen, wo denn nun all das Silber sei, als er es sah.
Er schnappte laut nach Luft und sank auf die Knie, überwältigt von der unvorstellbaren Menge der Schätze. Denn die schwarzen Wände, die er sah, waren das Silber, schwarz vom Alter und aufgehäuft wie alter Plunder. Schalen, Wasserkrüge, Weinkrüge, Statuen, Teller, Becher, das meiste davon mit Edelsteinen besetzt, alles halb begraben unter einem Meer von Münzen und Armreifen.
Wir sahen Schilde, Speerspitzen, Klingen, Teile von Rüstungen, alles platt gedrückt, zusammen mit mächtigen Silbertellern, die mit Perlmutt eingelegt waren, silberne Tierfiguren mit goldenen Reißzähnen, Tänzerinnen auf Alabastersockeln, glitzernde Vögel mit Bernsteinaugen und Flügeln aus Elfenbein.
Zu unseren Füßen lag das große Horn eines Auerochsen mit Bändern aus Silber und Jaspis; ein silbernes Halsband, mit Porphyr besetzt; ein großer Silberpokal mit zwei
Henkeln, mit Serpentin eingelegt; die Maske eines altertümlichen Helms mit starren Augen aus Amethyst.
Finn hob einen Gegenstand nach dem anderen auf und ließ ihn mit kältestarren Fingern wieder fallen, dann förderte er einen zerdellten, aber schön gravierten Silberteller zutage, groß wie ein Wagenrad, der voller Leben zu sein schien – Palmblätter, Lilien und Weinreben, zwischen denen Vögel flatterten, ein endloses Gewebe aus Blüten und Gefieder. Er war mit alten Münzen bedeckt, und als Finn ihn aufhob, lösten sie sich – ein klingender, kostbarer Wasserfall.
Er kniete nieder, dieser Mann, der vor niemandem das Knie beugte, und seine Schultern bebten. Er weinte, fassungslos über diesen unermesslichen Schatz und darüber, dass nach allem, was wir durchgemacht hatten, nach all unseren Verlusten, die wilde Jagd der Eingeschworenen nun tatsächlich zu Ende
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