Drachenboot
Axtbiss?«, fragte Dobrynja,
und der Hauptmann der Druschina nickte und konnte sich endlich zu einem Lächeln durchringen, aber mit seiner Silbernase sah er trotzdem nicht viel freundlicher aus.
»Ich glaube, er ist mein Neffe, den man zu mir schicken wollte, nachdem sein Vater gefallen war. Er wurde von Räubern entführt, zusammen mit seiner Mutter und dem Pflegevater – das war vor sechs Jahren, und ich hatte seither nichts mehr von ihm gehört.«
»Wir haben ihn befreit«, unterbrach ich hastig. »Es war Klerkon – der Mann, den Olaf getötet hat. Er wurde von ihm misshandelt, angekettet, geschlagen, und seine Mutter wurde grausam …«
Ich verstummte. Jetzt wurde mir die ganze Geschichte klar. Ich hatte dem Griff, der aus dem Boden ragte, gerade den letzten, entscheidenden Ruck gegeben und das ganze herrliche Schwert herausgezogen.
Olaf, der Sohn von Tryggve. Ich wusste von einem Tryggve, dessen Sohn ein Prinz war und dessen Mutter eine Prinzessin namens Astrid, die Tochter von Eirik Bjodaskalle aus Obrestad in Rogaland.
König Tryggve Olafsson, von Wiken und Wingulmark, der Enkel Harald Schönhaars von Norwegen. Eigentlich kein echter König, aber ein mächtiger Jarl – ein Rig-Jarl –, der im hohen Norden Norwegens diesen Titel trug, bis er den Söhnen von Eirik Blutaxt zum Opfer gefallen war, angefeuert von ihrer Mutter Gunhild.
War das eine Frau! Gunhild, die schreckliche Hexe, die mit der Galle, die sich in ihrer Brust ansammelte, Nachtwölfe säugte. Die mit ihren Zähnen Schleifsteine zermalmen konnte. Sie hatte in ganz Norwegen nach dem »Balg« gesucht, wie sie ihn nannte, entschlossen, die Dynastie auszurotten, damit ihre Söhne in Sicherheit leben konnten.
Man hatte allgemein angenommen, es sei ihr gelungen, da der Junge samt Mutter und Pflegevater spurlos verschwunden blieb und auch langsam aus dem Gedächtnis der Menschen verschwand. Thorolf hatte der Pflegevater geheißen, wie mir jetzt einfiel, genannt Läusebart.
Hier stand er nun leibhaftig, in dieser Halle, die nach Harz duftete, und sah scheu auf zu dem Mann mit der silbernen Nase, der behauptete, sein Onkel zu sein.
Ich betrachtete den Jungen, der mit hoch erhobenem Kopf dastand. Ein Mann, der ihm ein Messer in die Brust gerammt hätte, wäre von Gunhild mit Gold aufgewogen worden, und wohl die Hälfte der Männer, die auf der Elk segelten, hätten es, ohne mit der Wimper zu zucken, getan – die andere Hälfte hätte ihn auf ihre Schultern gehoben und ihn zum König ausgerufen.
»Dann können wir ihn nicht töten«, sagte Wladimir schockiert, »wenn er ein norwegischer Prinz und Sigurds Neffe ist.«
Dobrynja schwieg. Er sah Sigurd an, dann mich, dann Olaf. Mir wurde flau im Magen, denn seine Gedanken standen ihm deutlich ins Gesicht geschrieben.
Nein, sie konnten dem kleinen Olaf keinen Pfahl in den Arsch rammen – aber das Wetsche würde dennoch ein Opfer für Klerkons Tod verlangen.
Also fing Wladimir erst einmal mit der Sklavin an, vielleicht würde sich das Wetsche ja damit zufriedengeben.
Wir mussten mit zum Richtplatz gehen, als Zeugen des grausamen Urteils, das an der Sklavin Danica vollstreckt wurde.
Während die dafür zuständigen Männer mit dem Pfählen beschäftigt waren, sah ich hoch zur Tribüne, wo der kleine Prinz Wladimir stand. Heute sah er sehr elegant
aus. Er trug eine Hose aus Brokat und ein Seidenhemd, sein dunkelblauer Mantel war rot eingefasst, die Ärmel mit Goldborte verziert. Sein Umhang hatte dieselbe Farbe und war ebenfalls mit Gold bestickt, die Spange, die ihn zusammenhielt, war mit Rubinen besetzt. Eine Zobelkappe mit silberner Spitze vervollständigte seinen Aufzug, dazu trug er eine schwere Goldkette mit einem Adlerkopf um den Hals. Seine beiden Getreuen standen zu beiden Seiten, und Sigurd hatte seine schützende Hand auf Olafs Schulter gelegt, der endlich seinen verlorenen Onkel wiedergefunden hatte.
Nachdem das Urteil vollstreckt war, sahen Dobrynja und Sigurd zur Wetsche hinüber und neigten die Köpfe. Der Wind, in dem Schneeflocken trieben, spielte mit dem Busch aus Pferdehaar auf Dobrynjas Helm. Doch es war klar: Diese eine Sklavin war längst nicht genug. Einmütig schüttelten die Mitglieder des Ältestenrats die Köpfe, sie wollten uns alle säuberlich dort unten aufgereiht sehen, damit auch unser Blut den Schnee rot färbte.
Martin fuhr mit der Hand über die Brust und machte sein Abwehrzeichen gegen das Böse, und selbst Finn und Kvasir hatten ernste Gesichter,
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