Drachenboot
brummte Gyrth, und Finn konterte, das läge daran, dass er ein dummer Ausländer sei, worauf Gyrth ihn nicht eben freundlich ansah. Er hieß Gyrth Albrechtsohn und war so groß wie Boltolf, mit einem noch mächtigeren Bauch als der von Skapti, aber hart wie ein Fass. Als er in Kiew zu uns kam und behauptete, Däne zu sein, hatte Finn nur gelacht.
»Gyrth ist ein angelsächsischer Name«, hatte er gegrinst, »und dein Herr Vater war ein Sachse, das sieht man doch deutlich. Ich sehe in dir keinen Dänen.«
»Meine Mutter war Dänin«, sagte Gyrth mit gerunzelter Stirn.
»Vielleicht hatte sie ein gutes Pferd«, sagte Finn, »oder ein schnelles Faering, damit konnte sie viele Männer haben. Denn wenn auch an dir nicht viel Dänisches dran
sein mag, so war doch in ihr ganz bestimmt so mancher Däne drin.«
Die Männer lachten, und Gyrth wurde immer bleicher.
»Du bist Finn«, sagte er, »der sich vor nichts fürchtet. Aber wenn du noch einmal meine Mutter schlecht machst, wirst du lernen, mich zu fürchten, denn dann könnte ich aus Versehen mal auf dich fallen.«
Finn hielt abwehrend die Hände hoch und gab zu, dass das in der Tat ein schreckliches Schicksal wäre. Dann umklammerte er Gyrths Handgelenk.
»Also bist du jetzt Steinnbrodir – willkommen an Bord.«
Und Gyrth quittierte seinen neuen Namen – Felsenbruder – mit einem etwas schiefen Grinsen und gesellte sich zu uns, tapsig und rumpelnd wie ein gutmütiger Bär, den Finn nie zu necken aufhörte, genau wie jetzt.
»Ein dummer Ausländer«, wiederholte Finn. »Dessen weit gereiste Mama natürlich viel zu beschäftigt war, um ihm solche Geschichten zu erzählen.«
»Ich habe mal eine weiße Krähe gesehen«, gab Gyrth stirnrunzelnd zu. »Aber die schwarzen Krähen haben nach ihr gehackt und sie fortgejagt.«
»Niemand ist so gut, dass er nicht auch einen Fehler hätte, oder so schlecht, dass er nicht doch zu etwas gut ist, wie meine Großmutter immer sagte«, bemerkte der rote Njal.
Gyrth blieb stur. »Aber von einem weißen Raben habe ich noch nie gehört«, beharrte er.
»Aber der grüne Wein gefriert«, sagte Jon und holte meine Gedanken wieder zurück aus der Steppe, wo ich noch immer mit Sighvat gehockt hatte – zurück in die Gegenwart. Der gefrorene Wein war ein Zeichen, das man nicht ignorieren konnte.
Grüner Wein wurde aus jungem Weizen gemacht. Das Gebräu wurde durch sieben Schichten Holzkohle gefiltert,
danach durch sieben Schichten aus sauberem, feinem Flusssand, dann wurde die Flüssigkeit, die jetzt wasserklar war, in Fässern aus Eiche gelagert, dem Holz Peruns. Es wurde dann den Winter über vor dem Haus gelassen, und die Leute warteten gespannt, bis sich die ersten Eiskristalle bildeten.
Diese wurden sofort herausgefischt, denn Eis war Wasser, und je mehr man davon entfernte, desto stärker und grüner wurde das Gebräu. Und je kälter das Wetter, desto mehr Eis bildete sich auf dem grünen Wein.
Es musste schon kalt sein, damit sich überhaupt Eis darauf bildete, und es war ein schlechtes Zeichen, dass es so früh kam, genau wie der Schnee und die kalte, klare Luft. Wir würden dieses Jahr einen der stärksten grünen Weine überhaupt bekommen, und nur wer zu viel davon getrunken hatte, würde sich jetzt in die Steppe hinauswagen.
Das hatte ich dem kleinen Wladimir klargemacht, nachdem wir am Morgen, nachdem Swjatoslaws Tod in Nowgorod bekannt gegeben wurde, aus der Grube befreit worden waren. Ich hatte ihm von dem Silberschatz erzählt und ihm erklärt, dass die Eingeschworenen ihm jetzt von großem Nutzen sein könnten.
»Wenn das, was du da sagst, wahr ist«, sagte er mit seiner hohen Stimme und sah mich mit seinen großen blauen Augen an, »dann ist dieser Lambisson aus Birka schon draußen in der Steppe und kommt mit jedem Tag, den wir ihn in Ruhe lassen, meinem Silberschatz näher.«
Seinem Silberschatz. Als Dobrynja mein Gesicht sah, fing er an zu lachen. Wir saßen zusammen am Tisch, wo ich gerade eine Stunde lang zu erklären versucht hatte, warum es klüger für ihn sei, uns nicht pfählen zu lassen wie Danica, die Sklavin.
»Bis die Trauerfeierlichkeiten für deinen Vater vorüber
sind«, sagte Dobrynja behutsam zu dem jungen Prinzen, »wird ohnehin noch Zeit vergehen, und die Reise in die Steppe gründlich vorzubereiten geht auch nicht von heute auf morgen, sodass es vielleicht ohnehin das Klügste ist, auf Tauwetter zu warten.«
Wladimir schüttelte unwillig den Kopf. »Onkel, meine Brüder werden
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