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Drachenboot

Drachenboot

Titel: Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Low
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an. Ich wickelte die Waffe wieder ein, und jetzt schien es noch dunkler um uns.
    Wir saßen noch lange so da, während der Sturm tobte und heulte und uns durch die Astlöcher anblies und den umgedrehten Schlitten beben ließ. Schnee trieb herein. Mein Kopf tat weh, und Olafs Zähne klapperten.
    »Komm näher, ich wärme dich«, sagte ich. Er war still, doch er rührte sich nicht. Dann räusperte er sich.
    »Ich habe mich nass gemacht«, bibberte er, und seine Kinderstimme klang beschämt, weil es offenbar aus Angst passiert war.
    »Macht nichts«, sagte ich. »Aber wenn du nicht näher kommst und dich wärmst, wird es das letzte Mal sein, dass du gepinkelt hast, denn du wirst bis ins Mark erfrieren.«
    Ich merkte, wie er näher gekrochen kam und sich in meinen Arm schmiegte, während wir versuchten, uns gegenseitig etwas zu wärmen, und doch vor Kälte zitterten – doch in dem engen Raum unter dem Schlitten, der jetzt in
Schnee eingehüllt war, wurde es warm genug, um den Reif am Holz schmelzen zu lassen, nur um ihn erneut und zu noch seltsameren Formen gefrieren zu lassen.
    Er roch nach Pisse, und ich merkte, dass Olaf vor Scham am liebsten unsichtbar geworden wäre. Ich beobachtete die neuen Eiszapfen, die sich über uns bildeten, und glitt in einen leichten Schlaf, gegen den ich allerdings ankämpfte. Es gibt keinen Nordmann, der nicht weiß, dass, wenn die Kälte einem erst die Augen schließt, man sie nie wieder öffnen wird.
    Ich stand im Bug der Elk , die geschmeidig und mit sprühender Gischt über die Wellen des kalten Meeres glitt. Ich drehte mich um und sah alte Gesichter – mir am nächsten war Kalf, den wir bei meiner ersten Reise nach Birka verloren hatten, er war in einem unvorsichtigen Moment von einem nassen Segel über Bord gefegt worden und einen Augenblick später verschwunden. Er grinste mich an und winkte, und ich wusste, ich musste tot sein und mich auf dem Weg nach Ägirs Reich befinden – doch wie ich in diese Halle unter Wasser gekommen war, wo ich doch an Land gestorben war, war mir ein Rätsel.
    Ich drehte mich um und wollte am Bug vorbei nach einem Hinweis suchen, aber die Gischt stach mich wie ein wütender Bienenschwarm, dann flog mir etwas ins Gesicht, ein Tintenfisch, eine Qualle, direkt in mein Gesicht, schmatzend und sabbernd …
    »Lass ihn jetzt. Braver Hund, gut gemacht – lass ihn endlich, du dummer Köter.«
    Ich wurde von Licht geblendet, weiß und flackernd – Gestalten. Irgendetwas hechelte und keuchte und fuhr mir warm und nass übers Gesicht.
    »Hau ab.«
    Der Hirschhund jaulte, als Finn ihm einen Klaps versetzte, dann erschien sein breites grinsendes Gesicht über mir. Er lachte.
    »Er verdient aber auch ein paar Küsse, Bärentöter, denn seine Nase hat euch gefunden, wo euch sonst niemand gefunden hätte. Ein guter Einfall übrigens, das hier mit dem Schlitten.«

Ich hätte Glück gehabt, erklärte mir Bjaelfi, als wir wieder sicher im Dorf waren und er vorsichtig meinen Hinterkopf betastete. Über Hals und Schulter erstreckte sich ein Bluterguss, der in allen Farben schillerte, wie die Regenbogenbrücke nach Walhall. Die Haut an meinem Schienbein war zwar abgeschürft, aber es war nichts gebrochen.
    Kvasir sah mich an und schüttelte amüsiert den Kopf. Er wusste, dass ich davon überzeugt war, dass mein Schwert seinen Besitzer schützte. Doch er wies mich immer wieder darauf hin, dass die Tatsache, dass mir bisher nichts Ernstes passiert war, vielleicht auch nur an meiner Jugend, meiner Widerstandsfähigkeit und an Odins Glück lag.
    Ich sah ihn an, nickte und sagte: »Knochen, Blut und Stahl.«
    Den Dank für meine Rettung tat er mit einem verächtlichen Schulterzucken ab, dann warf er mir etwas zu, das ich mit Mühe auffangen konnte. Es war Martins Schuh mit der dicken Sohle.
    »Den haben wir vor eurer Höhle aus dem Schnee ausgegraben«, sagte er. »Ganz in der Nähe von Thorkel.«
    Ich wog den Schuh aus Ochsenleder in der Hand, und da wurde mir klar, was für ein Glück ich gehabt hatte, denn der Tritt damit hätte mir das Bein brechen können wie einen trockenen Ast. Kvasir rieb sein gutes Auge und zuckte mit den Schultern.
    »Vielleicht hatte der rechtmäßige Eigentümer etwas mit
deinem Glück zu tun – oder sein Fuß«, meinte er mit grimmigem Lachen und deutete mit dem Kopf auf den Schuh. Ich verstand nicht.
    »Ein Helschuh«, sagte er, und ich wurde blass und setzte das Ding vorsichtig ab, denn erst jetzt sah ich, was es war. Ein Helschuh,

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