DRACHENERDE - Die Trilogie
Osten an jene Berge grenzte, unter denen der Urdrache Yyuum schlummerte. Der Name des Landstrichs war zugleich Synonym für Abgelegenheit und Weltferne.
„Irgendetwas müssen wir doch tun können!“, rief Rajin erregt.
„Im Moment, so fürchte ich, ist das unmöglich“, bekannte Liisho. „Aber wenn wir den Fürsten von Sukara in Bälde besuchen, werden wir vielleicht mehr erfahren – denn er verfügt über ein exzellentes Netz von Spitzeln und Verbindungen im ganzen Land. Und dass Nya nicht im Palast ist, heißt ja nicht, dass dort nicht über sie geredet würde …“
12. Kapitel:
Der Fürst von Sukara
In den nächsten Tagen ließ der Regen nach, und die Gewitter waren weniger heftig. Die Zeit der Unwetter neigte sich dem Ende zu, und Liisho sagte voraus, dass sie vorbei sein würde, sobald der Blutmond wieder voll und rund geworden war.
Innerhalb einer Woche erhielt der Weise drei Mal Nachrichten vom Festland, die durch Zweikopfkrähen überbracht wurden. Liisho ließ über den Inhalt nur verlauten, dass die Preise für Drachenfutter aus Stockseemammut inzwischen in ungeahnte Höhen gestiegen seien, da zwischen dem Seereich und Drachenia Kriegszustand herrschte und die Seemannen die Häfen an der neuländischen Küste nicht mehr belieferten. „Ich sage ja immer: Gut, wenn man einen Drachen hat, der in der Lage ist, sich selbst zu ernähren“, kommentierte der Weise diese Entwicklung.
Nach einer weiteren Woche – der Blutmond war nun schon seit zwei Tagen rund und voll – erhielt Liisho erneut eine Nachricht, in der ihm offenbar signalisiert wurde, dass der richtige Zeitpunkt gekommen sei, nach Sukara zu fliegen.
Mitten in der Nacht brachen sie auf, flogen den ganzen Tag und erreichten Sukara, als der Jademond in seinem Zenit stand. Es war der Wunsch des Fürsten gewesen, dass sie in der Nacht bei seiner Residenz eintrafen, sodass ihr Besuch geheim blieb.
Bratlor hatte hinter Rajin auf Ghuurrhaans Rücken Platz genommen. Das Licht der fünf Monde spiegelte sich in der glatten See des östlichen Ozeans. Obwohl es Nacht war, konnte man Burg Sukara, den dazugehörigen Hafen und die Stadt schon von weitem sehen. Der Ort glich einem Lichtermeer, wie Rajin es allenfalls in den Traumbildern des Weisen Liisho zuvor gesehen hatte. Zylinderförmige Luftschiffe aus Tajima waren an hohen Masten vertäut. Den Kapitänen war es derzeit nicht gestattet, ihre Waren ins Innere des Landes zu bringen; ein kaiserliches Gesetz verbot dies, damit den Besitzern von Last- und Laufdrachen innerhalb Drachenias keine Konkurrenz entstand. So mussten Waren, die Drachenias Häfen per Luftschiff erreichten, ebenso gelöscht werden wie jene, die in den Bäuchen der Seeschiffe transportiert worden waren.
Im Hafen selbst waren derzeit vor allem Fischerboote und kleine Dschunken für den Küstenverkehr sowie einige der schweren Dampfgaleeren aus Feuerheim zu finden. Kein einziges seemannisches Langschiff war in dem gut beleuchteten Hafen zu sehen, in dem offenbar auch in der Nacht ein geschäftiges Treiben herrschte.
Liisho hatte Rajin und Bratlor vor ihrer Abreise aus der Ruinenstadt Qô einiges über den Fürsten und seine Provinz erzählt. Mit Bedacht hatte Liisho dafür gesorgt, dass Rajin nichts über ihn – nicht einmal etwas über das Land, das er verwaltete – in den Traumgeschichten erfahren hatte. Der Weise hatte den Fürsten schützen wollen – schließlich war ja nicht gänzlich auszuschließen gewesen, dass Rajin in die Hände des Usurpators geriet.
Sie überflogen die Stadt, über der es selbst in der Nacht von fliegenden Drachen und eintreffenden tajimäischen Luftschiffen nur so wimmelte, und erreichten die Burg.
Burg und Stadt leiteten ihren Namen vom Familiennamen des Fürsten Payu Ko Sukara ab, der von hier aus das Land zwischen Südfluss und tajimäischer Grenze verwaltete. Südflussland nannte man dieses Gebiet – oder auch einfach nur Südfluss. Nominell war es Teil der Provinz Ostmeerland, aber aufgrund der Abgelegenheit dieses Reichsteils war Fürst Payu faktisch nur dem Kaiser in Drakor verantwortlich.
Ghuurrhaan und Ayyaam landeten im Burghof und wurden bereits erwartet. Diener und Wächter eilten herbei, darunter auch solche, die offenbar ausgebildete Drachenpfleger waren. Sie näherten sich von der Seite und warfen den beiden Drachen gewürztes Stockseemammut vor.
Rajin, Bratlor und Liisho kletterten von ihren Reittieren. Der Hauptmann der fürstlichen Leibwache trat vor und
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