DRACHENERDE - Die Trilogie
verteidigen.“
„Falschmagier“, meinte Kallfaer. „Das ist wahrhaftig ein passender Name für dich.“
„Ja“, stimmte Kraanrgar zu, „doch als die Drachen am Horizont auftauchten, habe ich mir zum ersten Mal gewünscht, meine Stirnfalte wäre das Erbe meiner Vorfahren und nicht die Folge eines Unglücks, dann hätte ich die drachenische Brut vielleicht mit Trugbildern zu verwirren vermocht.“
„Man sollte niemals über geschlagener Schlachten grübeln, sondern den Blick in die Zukunft wenden“, erwiderte Orik.
„Da magst du recht haben“, stimmte Kraanrgar Falschmagier zu. „Aber es ist, fürchte ich, für mich zu spät, mir diese schlechte Gewohnheit wieder abzugewöhnen.“
Orik wandte sich erneut an Sharash und deutete auf den Lichtbogen, der nun wieder erlosch und ebenso das Bild, das sich in ihm gezeigt hatte. „Was war das, was wir da gerade gesehen haben?“, fragte der Seemanne. „Dieser Wald ...“
„Dein Volk ist wirklich mit schlechten Augen gestraft, dass du nicht mehr erkennen konntest.“
„Das ist das Schicksal, das die Götter für uns bestimmt haben“, gab Orik zurück.
„Du hast soeben einen Blick in die Gefilde eines Gottes werfen können“, sagte Sharash.
Orik runzelte die Stirn, und Kallfaer verschränkte die Arme vor der Brust. „Du sprichst in Rätseln“, erklärte der Ahne des berühmten Wulfgar Eishaarssohn.
„Was du gesehen hast, ist ein Tor, das diesen Ort mit dem Jademond verbindet“, erklärte ihm der Vogelkrieger. „Falls die Drachenier hierher kommen, werden wir dorthin zu fliehen versuchen – vorausgesetzt, es gelingt den Weisen unseres Volkes zuvor, die Verbindung rechtzeitig wiederherzustellen.“
Immer mehr Vogelmenschen versammelten sich in der Nähe des schwarzen Felsens. Manche trugen Spinnräder und kleine Webstühle, nicht größer als ein Kind von fünf oder sechs Jahren. Mit diesen Apparaturen schufen sie das wertvolle Tuch, für dessen Verkauf die Vogelmenschen überall berühmt waren. Andere Dinge, die ihnen wertvoll genug erschienen, um sie mit ins Exil auf dem Jademond zu nehmen, schienen die Angehörigen dieses Volkes nicht zu besitzen.
Orik bewunderte die Gelassenheit und Ruhe, mit der das alles vonstatten ging, obwohl längst nicht sicher war, ob es den Weisen des Vogelmenschvolkes überhaupt gelingen würde, eine erneute und beständige Verbindung zum Mond des Schicksalsgottes zu errichten. Auch Vogelmenschen von anderen Orten kamen herbei und ließen sich auf dem Plateau nieder, wo sich offenbar das gesamte Volk der Geflügelten versammelte.
Immer wider spannte sich ein Lichtbogen bis zum schwarzen Felsen, mal in dieser und mal in jener Farbe. Ab und zu zeigte sich auch wieder der dichte grüne Wald, der offenbar einen Großteil der Oberfläche des Jademonds bedeckte und ihm so seine charakteristische Färbung verlieh.
„Zum Jademond?“, tönte Kallfaer auf einmal. „Ihr Geflügelten glaubt doch wohl nicht im Ernst, dass aufrechte Seemannenkrieger euch dorthin begleiten werden?“
Sharash sah ihn mit erstaunenswerter Gelassenheit an. „Ihr müsst selbst entscheiden, was ihr tut“, entgegnete er und zog die Lippen zurück, sodass wieder seine Eckzähne zu sehen waren. Die Grimasse wirkte wie die Parodie eines Lächelns, und Orik fragte sich, ob die Vogelmenschen damit die Mimik ihrer menschlichen Gesprächspartner zu imitieren versuchten. Ihm war nämlich aufgefallen, dass sie sich untereinander nicht auf diese Weise begegneten und den Mund nur dann verzogen, wenn ihr Gegenüber ein Mensch war.
„Ich komme jedenfalls nicht mit euch!“, entschied Kallfaer Eisenhammer.
„Es würde dir aber die Möglichkeit geben, doch noch an den Dracheniern Rache zu üben“, hielt Sharash dagegen. „Andernfalls wirst du hier den Tod finden, denn offensichtlich sind die Drachenreiter-Samurai nicht gewillt, sich mit Gefangenen zu belasten.“
„Ich würde mich auch niemals von ihnen gefangen nehmen lassen!“, entgegnete Kallfaer grimmig. Er zog sein Schwert blank und setzte hinzu: „Das hier sollen sie spüren, solange wie ich in der Lage bin, diese Waffe in der Hand zu halten, und noch ein Funken Leben in mir ist!“
„Ich bin überzeugt, dass dieser Weg nur in die ewige Dunkelheit führt“, sagte Sharash mit der für seinesgleichen so kennzeichnenden stoischen Ruhe.
Stunden vergingen, in denen sich die Weisen bemühten, das Tor zu öffnen, allerdings ohne dauerhaften Erfolg. Einmal wehte bereits eine Brise aus der
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