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DrachenHatz

DrachenHatz

Titel: DrachenHatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ute Haese
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sinken. Ganz vorsichtig, denn mein Körper fühlte sich an wie ein demolierter alter Sandsack; von meiner Seele ganz zu schweigen.
    Das Gute war: Ich lebte. Die schlechte Nachricht bestand unbestreitbar darin, dass es mir ziemlich mies ging und ich nicht den Schimmer einer Ahnung besaß, was der Angreifer von mir gewollt hatte. Auf meine sogenannte Ehre hatte er es auf keinen Fall abgesehen, klar, aber was sollte das Ganze dann?
    In irgendeinem verborgenen Winkel meines überreizten Hirnes hockte offenbar noch ein Fünkchen von Verstand. Und dies mahnte mich eindringlich, endlich Hilfe zu holen, statt mich in zwangsläufig miserabelsten Analysen zu ergehen. Außerdem war schließlich keinesfalls gesagt, dass der Knabe bereits endgültig mit mir abgeschlossen hatte. Möglicherweise lauerte er noch vor der Tür und beobachtete jeden einzelnen meiner Schritte, nur um dann umso erbarmungsloser zuzuschlagen, wenn ich mich in Sicherheit wähnte. Doch wen zum Henker sollte ich bitten zu kommen? Die Polizei? Die würde zwar auf der Stelle heranbrausen, aber da sie vermutlich genauso arbeitete wie ihre bundesdeutschen Kollegen, würden sie mich bloß mit endlosen ärztlichen Untersuchungen sowie ebensolchen Verhören quälen. Und heraus käme mit ziemlicher Sicherheit gar nichts, weil ich nicht einmal eine nur halbwegs brauchbare Beschreibung des Täters liefern könnte.
    Thomas? Allein bei dem Gedanken sträubte sich augenblicklich alles in mir. Eine Gardinenpredigt über mein unvorsichtiges bis leichtsinniges nächtliches Bummelverhalten hätte ich in meinem Zustand einfach nicht mehr ertragen. Eher wankte ich zu Fuß nach Hause oder kroch auf allen vieren gen Bokau. Wer oder was blieb also?
    Merkwürdig, als ich endlich so weit war, kam es mir ganz natürlich vor. Harry selbstverständlich. Er war der Einzige, der mir in einer solchen Situation helfen konnte. Ich robbte ächzend und stöhnend zu meinem Mobiltelefon, inständig hoffend, dass er das Lager nicht gerade mit einer rattenscharfen Mieze teilte, sondern züchtig, brav und vor allen Dingen allein in seinem heimischen Bett lag.
    Es rauschte, klickte, rauschte wieder und fing dann zu meiner kolossalen Erleichterung vorschriftsmäßig an zu tuten. Ich öffnete mühsam den Mund, um bereit zu sein, wenn Harry abhob, doch er kam mir zuvor.
    »Wenn du nicht einen tierisch guten Grund hast, mich um drei Uhr nachts um den Schlaf des Gerechten zu bringen, Hemlokk, dann fürchte fortan um dein mickriges kleines Leben!«
    Einen längeren Moment war ich total baff, bis Harry geradezu widerlich nachsichtig bemerkte: »Ich hab deine Nummer auf dem Display gesehen.«
    Er schwieg. Ich auch, weil mich just in diesem Moment ein stechender Schmerz in der Milzgegend auseinanderzureißen drohte.
    »Also, was ist los, Hemlokk?«, drang seine ungnädige Stimme an mein Ohr, während ich mit dem Tod rang. »Spuck es endlich aus. Was ist so faul im Staate Dänemark, dass es um diese unchristliche Zeit meiner Hilfe bedarf?«
    »Alles«, nuschelte ich mühsam, fast schon dankbar dafür, dass er so schnell begriff. Was ein Irrtum war.
    »Bist du blau, Hemlokk?«, vermutete er auf seine charmante Weise und gähnte anschließend dröhnend in die Muschel. »Habt ihr Zoff? Dann schmeiß den Breitschedt raus und lass mich weiterschlafen, ja? Ich bin kein Kummerkastenonkel, der unter einem Helfersyndrom leidet. Und nachts schon mal überhaupt nicht.«
    »Harry!«, stieß ich zwischen geschlossenen Zahnreihen hervor. Das tat am wenigsten weh, denn meine Lippen mussten inzwischen den Umfang von Schlauchbooten angenommen haben, nur größer. Ich hätte fast losgeheult, als ich hörte, dass er sich jetzt endlich ruckartig aufsetzte.
    »Kannst du reden, Hemlokk? Bist du allein?«, erkundigte er sich besorgt. Die gelangweilte Pose war wie weggeblasen.
    »Nein und ja«, zischelte ich und beobachtete dabei fasziniert, wie Blut auf meine Hose tropfte.
    »Hemlokk!«
    Ich zuckte zusammen und grunzte unartikuliert in den Hörer.
    »Was ist denn los? Reiß dich zusammen!«, befahl Harry autoritär wie Richard, wenn er zwanzig Jahre älter war als die holde Camilla und es nur gut mit ihr meinte.
    »Kannst du kommen?«, brachte ich zwar mühsam, aber einigermaßen klar hervor.
    »Jetzt?«
    »Ja.«
    »Sofort?«
    »Ja.«
    »Nach Dänemark?«
    »Ja.«
    Und das war der unschätzbare Vorteil an Harry Gierke. Der Mann war launisch, ziemlich von sich überzeugt und lag in manchen Dingen komplett daneben, doch er machte

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