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DrachenHatz

DrachenHatz

Titel: DrachenHatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ute Haese
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nicht viel Worte, wenn es wirklich darauf ankam. »Okay«, knurrte er nur, und ich hörte, wie die Matratze quietschte, als er aufstand. »Gib mir die genaue Adresse. Zum Frühstück bin ich da.«
    In diesem Moment hätte ich ihn vom Fleck weg geheiratet und ihm ewige Treue geschworen. Harry fürchtet jedoch derartige Gefühlswallungen wie Gustav den norddeutschen Schmuddelwinter, also schaltete ich das Handy ab und fing einfach nur an zu heulen. Es sah ja niemand, und es wäre mir in diesem Moment auch egal gewesen. Ich war dermaßen fertig, dass es mir erst nach einer Viertelstunde gelang, mich ins Bad vor den Spiegel zu schleppen, um eine erste Bestandsaufnahme vorzunehmen.
    Oh je. In diesem Zustand durfte ich meiner Mutter auf keinen Fall unter die Augen treten; dagegen punktete die ehemalige Asienreisende und jetzige Stubenhockerin Dorle Bruhaupt ja noch. Meine Wangen leuchteten unnatürlich rot und waren ziemlich fies geschwollen. Und meine Lippen sahen tatsächlich aus, als hätte ein unfähiger Schönheitschirurg die Botox-Dosierung für eine ganze Kompanie hineinpraktiziert. Außerdem blutete ich aus dem rechten Mundwinkel, der von der Wucht der Schläge tief eingerissen war.
    Ich probierte ein kleines, kaum wahrnehmbares Lächeln, ließ die Muskeln jedoch sogleich wieder erschlaffen, weil es einfach höllisch wehtat. »Vom Doktor genäht« war definitiv der letzte Spruch, der mir zu diesem Thema einfiel. Dann öffnete ich vorsichtig den Mund und begutachtete meine Zähne. Sie waren alle noch da und auch Ruinen wie etwa halbe Schneidezähne konnte ich nicht ausmachen. Also schritt ich zur Zungenprobe, indem ich sanft die Reihen entlangfuhr und hin und wieder drückte. Doch keiner wackelte, wie ich erleichtert feststellte.
    Mühsam schälte ich mich anschließend aus Jacke, T-Shirt und BH. Noch war die Stelle, wo der Dreckskerl mir in die Rippen getreten hatte, nur leicht verfärbt und ein bisschen geschwollen. Doch natürlich würde sie spätestens in der nächsten Woche in den schönsten Regenbogenfarben schillern. Na und! Außer einem Arzt würde mich sowieso niemand nackt zu Gesicht bekommen. Blieb noch ein Letztes zu tun. Vorsichtig fing ich an, meine Rippen zu betasten. Mein Brustkorb war zwar höllisch empfindlich, aber nichts stach heraus oder knirschte gar unter meiner Berührung. Gebrochen war also aller Wahrscheinlichkeit nach nichts.
    Mit diesem aufmunternden Befund beendete ich die vorläufige Untersuchung, zog mich notdürftig wieder an, schenkte mir einen Krug Wasser ein, nahm mein Oberbett und kuschelte mich in voller Montur auf die Couch, um auf Harry zu warten, der in etwa vier Stunden heranbrausen würde, wenn nichts dazwischenkam.
    Jemand versuchte die Tür aufzubrechen. Allerdings stellte er sich dabei nicht allzu geschickt an, denn er lärmte wie ein Trupp Söldner auf Beutezug. Ich blinzelte verschlafen und wollte mich aufsetzen. Allein, es ging nicht. Alles an mir war steif, kalt und tat entsetzlich weh. Jetzt begann der Unbekannte, die Terrassentür aufzuhebeln. Der Riegel knirschte und bewegte sich Millimeter um Millimeter. Ich fing an zu schwitzen, weil ich dem Eindringling hilflos ausgeliefert war. Nein, nicht ganz. Mühsam angelte ich nach einer Schale voller Obst, die Thomas und ich vor Urzeiten, so kam es mir vor, gekauft hatten. Damit würde ich nicht lange Gegenwehr leisten können – wenn überhaupt –, doch kampflos würde sich Hanna Hemlokk nicht ergeben!
    Jetzt rüttelte es völlig enthemmt am Türgriff. Und dann hörte ich eine Stimme, die ich umgehend und voller Erleichterung als Harrys identifizierte, laut brüllen: »Hemlokk, mach sofort die Tür auf, oder ich trete sie ein!«
    »Moment. Ich komme!«, schrie ich zurück. Heraus kam jedoch lediglich ein Flüstern, das nicht einmal die Hochleistungswanze im Verdoehl’schen Wohnzimmer hätte registrieren können. Ächzend stemmte ich mich hoch, tapfer ignorierend, dass mein Körper offenbar in Flammen stand. Ich wankte zur Terrassentür und öffnete mit zittrig-steifen Fingern.
    »Scheiße!«, stieß Harry hervor, während er sekundenlang ungläubig in mein zerschundenes Gesicht starrte. »Hoffentlich sieht das Arschloch jedenfalls ansatzweise genauso aus.«
    »Nee«, krächzte ich.
    Er schluckte, bevor er rau sagte: »Dann holen wir das auf der Stelle nach, Hemlokk. Wo ist das Schwein? Das nehme ich mir gleich vor. Und hinterher wirst du sehen, dass du dagegen glatt noch eine Schönheit bist.«
    Statt einer Antwort

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