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DrachenHatz

DrachenHatz

Titel: DrachenHatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ute Haese
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einfach nicht möglich, sich so ein Krankheitsbild in allen Facetten vorzustellen, überlegte ich. Man ging da automatisch mit sogenannten normalen Maßstäben heran und verrannte sich möglicherweise total. Solche Leute waren schließlich hochgradig gestört, nicht böse.
    Ich stellte das Auto auf dem Parkplatz neben dem Imbiss ab. Stöhnend stemmte ich mich vom Sitz hoch und verschloss mein Vehikel sorgfältig, bevor ich mich Richtung Deich aufmachte. Ein junger Mann, der hier mit seinem Hund spielte, hielt mitten im Wurf inne und mühte sich sichtbar, mich nicht allzu entgeistert anzustarren. Es gelang ihm nicht. Der Hund fiepte ungeduldig.
    »Kleine Diskussion mit dem Nachbarn gehabt«, knarzte ich lässig, als ich an ihm vorbeischlenderte. »Überhängende Zweige, Sie verstehen.«
    »Aber Sie müssen zum Arzt.« Der Arme war ehrlich entsetzt. »Ich fahre Sie hin!« Wahrscheinlich dachte er, dass mich mein Alter nach Strich und Faden vermöbelt hatte, weil das Bierschapp leer gewesen war.
    »Nein, ist schon okay«, beruhigte ich ihn. »Es sieht schlimmer aus, als es ist.«
    Er war höchstens achtzehn und heillos überfordert. Er glaubte mir nicht, was ich ihm nicht verdenken konnte, doch er traute sich auch nicht, auf dem Doktor zu bestehen.
    Ich lächelte ihn an, was heftig wehtat. »Danke«, sagte ich, um ihn anschließend dreist anzulügen. »Mein Hausarzt meint, es handele sich lediglich um Äußerlichkeiten. Kein Drama also.«
    »Wegen überhängender Zweige?«, fragte er ehrlich erschüttert. Vielleicht war er in einer Mietwohnung groß geworden.
    Ich nickte düster. Es entsprach zwar in diesem Fall nicht ganz der Wahrheit, aber grundsätzlich hielt ich es für durchaus vorstellbar, dass enthemmte Gartennachbarn ihren Streit per Faust austrugen. Bei so einer Auseinandersetzung ging es schließlich im Kern immer um abendländische Werte, nämlich das hohe Gut des Privateigentums sowie den bürgerlich-menschlichen Freiheitsbegriff und lediglich vordergründig um irgendwelche Triebe.
    Das Bübchen kratzte sich ratlos am Kopf, ich nickte ihm hoheitsvoll zu, der Hund witterte seine Chance und begann in hohen Tönen zu kläffen. Doch dem Jungen war die Lust aufs Spielen vergangen. Er reagierte nicht, woraufhin das Tier sich enttäuscht abwandte und auf den Deich schlich.
    Ich erklomm die Treppe und dachte an Marga. Zu gegebener Stunde würde ich sie über meine Greta-Theorie in Kenntnis setzen, wobei es durchaus sein konnte, dass dazu eine Flasche Wein vonnöten war.
    Marga! Ich hielt unwillkürlich inne und schalt mich laut eine dumme Kuh. Was hatte ich mir nur dabei gedacht, sie nicht umgehend vor Greta und ihrem Handlanger zu warnen? Sie wohnte schließlich mit der Frau zusammen und stand ihr momentan recht nahe. Zudem war sie meine Freundin, und ich hatte keine Ahnung, wie sich diese Mixtur auf Gretas kranke Seele auswirkte. Vielleicht griff sie sie einfach an, nur um mir eins auszuwischen? Oder sie tat ihr etwas, weil Marga sie nicht heftig genug bedauerte!
    Mein Gott, Marga wusste ja nicht einmal, gegen wen oder was sie sich verteidigen sollte. Sie vertraute Greta und hatte nicht den Hauch einer Ahnung, dass ich mittlerweile nicht mehr nach einem Gegner ihrer Nachbarin, sondern nach Gretas Verbündetem suchte, der die Drecksarbeit für sie erledigte.
    Natürlich musste ich selbst ebenfalls vorsichtig sein. Und Harry auch. Denn wenn Greta mich zusammengedroschen hatte – oder, sei ehrlich, Hemlokk, möglicherweise auch Thomas –, dann bestand selbstverständlich die Gefahr, dass sie die ganze Aktion noch einmal wiederholte, wenn ich nicht aufgab und weiterhin gnadenlos in ihrem Leben herumstocherte. Was ich vorhatte.
    So schnell ich konnte, schleppte ich mich zum Parkplatz zurück. Und was war eigentlich mit Johannes? Ihm stand zwar bekanntlich die Grundgütige höchstselbst zur Seite, doch ein bisschen ergänzende irdische Vorsicht war vielleicht in diesem besonderen Fall auch bei ihm angebracht. Aber kannte Greta ihn überhaupt? Ich überlegte angestrengt. Keine Ahnung, er war jedoch mein Freund und damit bereits ein mögliches Ziel. Trotz göttlichem Beistand.
    Völlig ausgepumpt kam ich schließlich wieder beim Auto an, schloss es auf und ließ mich mit zitternden Beinen auf den Fahrersitz gleiten. Ich hätte auf mich hören sollen und nicht auf einen fünftklassigen Turntrainer bei einem siebentklassigen Privatsender. Manchmal hat nämlich das Dasein als Couch-Potato durchaus etwas für

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