DrachenHatz
sich.
Immerhin schaffte ich es unfallfrei nach Hause. Eigentlich wollte ich gleich zu Marga und mit ihr sprechen, aber dann überlegte ich, dass es gefährlich sein könnte, wenn Greta etwas davon mitbekam. Außerdem war ich völlig ausgelaugt und fertig und ohne Schlaf zu nichts mehr zu gebrauchen.
Am nächsten Morgen beorderte ich alle meine Lieben für den späten Nachmittag zu einer abgelegenen Badestelle am Passader See. Zunächst hatte ich an Hollbakken als Treffpunkt gedacht, doch im Herrenhaus wohnten die Dung-und-Döner-Tycoone, in deren Wohnzimmer sich bekanntlich eine Wanze befand. Von der Johannes, die gute Seele, nach wie vor keine Ahnung hatte. Und so sollte es auch bleiben, wenn es nach mir ging.
Den Vormittag verbrachte ich zunächst mit ein paar vorsichtigen Dehnübungen, und dann kam Vivian LaRoche zum Zuge, denn es wurde langsam Zeit für bezaubernde Adventsmärkte, die es mit Glühwein- und Würstchendüften anzureichern galt, damit sich die beiden Herzchen Richard und Camilla über einem tierisch lecker schmeckenden Schinkengriller näherkommen konnten, bis dass der Punsch sie erst mal wieder schied. Tatsächlich gelang es Vivian, trotz der an Leib und Seele lädierten Hanna, den Anfang einer soliden Geschichte zu fabrizieren, die die Welt zwar nicht aus den Angeln hob, jedoch in ihrer Nettigkeit durchaus diskutabel war.
Thomas rief nicht an. Ich natürlich auch nicht. Bis ich Klarheit über seine Rolle in dem ganzen Drama besaß, würde ich mich tot stellen, hatte ich beschlossen. Obwohl ich ihn eigentlich immer noch nicht so richtig wirklich verdächtigte. Aber halb doch, hörte ich Harry ob dieser verdrucksten Wortwahl spotten. Das war dann der Punkt, an dem ich den Gedanken an Thomas massiv wegdrängte, um unverzüglich Frieder Gallwitz ins Gefecht zu führen, der zweifellos unter perversen Schüben litt. Oder Rolfi-Baby, dem ich mittlerweile alles zutraute. Und nicht zu vergessen der Biedermann Arthur Bebensee, der Greta immerzu ausführte, was an sich schon obskur bis zwielichtig war.
Wie es sich für eine gute Gastgeberin gehört, kam ich als Erste an der Badestelle an, die leer war und damit uns allein gehörte. Vorsichtig nahm ich eine Decke und einen Fressalienkorb aus dem Wagen und breitete das Tuch auf dem Boden aus. Ich gedachte, etwaigen Schocks auf meine Enthüllung mit ausreichend Stärkung vorzubeugen. Dann gab ich mich für angenehme zehn Minuten der Erkundung der Wolken hin, bevor es ans Eingemachte ging.
Zunächst erschien Harry. Ich hörte Nörpel, seinen altersschwachen VW Golf, schon von Weitem heranröhren, dann folgten Marga und Johannes gemeinsam auf ihren Rädern. Beide betrachteten mich kurz, aber ungeniert, enthielten sich jedoch jeglichen Kommentars. Es sprach eindeutig für meine Freunde, dass sie mich zunächst mit dem neuesten Dorfklatsch unterhielten und bei den Grillvorbereitungen halfen, bevor sie nach meinem derangierten Gesicht fragten. Aus der Suppenschüssel von Plattmanns Nachbarn, die der Familie offenbar als Safe diente, hatte man vor zwei Tagen einen nicht unerheblichen Geldbetrag gestohlen. Die Polizei ermittelte wie in den anderen Fällen auch, doch in Bokau glaubte man nicht an einen Erfolg. Die Diebe seien doch längst über alle Berge, lautete die einhellige Meinung der Dorfbewohner. Samt der Perlenkette der alten Renate Bieker, orakelte Marga düster, woraufhin Johannes in schallendes Gelächter ausbrach.
»Die ist geklaut worden, als du in Dänemark warst«, klärte Marga mich auf.
»Ist sie ja gar nicht«, korrigierte Johannes sie heiter. »Renate hatte sie lediglich derart gut versteckt, dass sie sie nicht mehr finden konnte. Und was sagen alte Leute dann? Sie werden bestohlen. Das kennt man doch. Nein, ihre Tochter hat das gute Stück ganz zufällig im Schrank hinter den Toilettenrollen gefunden. Eingewickelt in eine Zeitung von 1996.«
»Du lieber Himmel«, murmelte Marga. »Hoffentlich werde ich nicht so tüdelig. Dann lieber ein paar Schrammen im Gesicht. Denn ich nehme an«, wechselte sie elegant das Thema, »dass dein Äußeres etwas mit dieser Einladung zu tun hat, richtig, Schätzelchen?«
»Stimmt.«
»Und deshalb nehme ich nicht an, dass du des nächtens ganz einfach mit einem wehrhaften dänischen Flaggenmast kollidiert bist.«
»Stimmt auch, ja.«
»Aha. Und dann nehme ich mal weiter an, dass Greta mit der ganzen Sache etwas zu tun haben muss, denn sonst hättest du nicht so eindringlich um Verschwiegenheit
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