Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
DrachenHatz

DrachenHatz

Titel: DrachenHatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ute Haese
Vom Netzwerk:
kleinen Jungen auf dem Arm. Blaue Augen, blonde Haare, ebenmäßige Züge. Arthur Bebensee kam auch vor, wenn auch nur am Rande. Frieda war vollständig getilgt worden.
    »So leer war die gestern Mittag noch nicht«, sagte Fabian in diesem Moment bedächtig. »Und allein hat Frau Pomerenke nie getrunken. Das sei der erste Schritt zum Alkoholismus, hat sie immer behauptet.«
    »Was meinen Sie?«, fragte ich zerstreut.
    »Die Cognacflasche«, wiederholte er geduldig. »Sie muss Besuch gehabt haben. Der Pegel ist gesunken. Ich habe ihr nämlich gestern Vormittag das Album hervorkramen müssen. Und da habe ich die Flasche noch viel voller gesehen.«
    Draußen eilte jemand schnellen Schrittes vorbei und outete sich damit als Pfleger oder Besucher.
    »Und Sie sind sich da ganz sicher, Fabian?«, hakte ich nach. »Gestern Mittag war noch mehr in der Flasche?«
    Er nickte. »Da sind zwei Fingerbreit raus. Ganz bestimmt. Hilft Ihnen das weiter?«
    »Und ob«, erwiderte ich grimmig. »Frau Pomerenke hatte also einen Besucher, bevor sie starb, genau wie ich vermutet habe. Und sie muss ihn gekannt haben, denn sonst –«
    »Nicht unbedingt«, unterbrach mich Fabian. »Sie war sehr großzügig mit dem Cognac. Dann bleiben sie alle ein bisschen länger und leisten einer alten Frau Gesellschaft, hat sie oft gesagt und dabei gelacht.«
    In diesem Moment klopfte es derart energisch an die Tür, dass wir beide vor Schreck zusammenzuckten.
    »Frau Pomerenke?«, erklang eine zittrige Damenstimme. »Der Chor fängt gleich an.«
    Die Klinke bewegte sich, und Fabian stürzte los. »Frau Grellheimer, kommen Sie, wir gehen schon vor. Frau Pomerenke ist nicht ganz … wohl. Sie bleibt heute lieber in ihrem Zimmer.«
    »Ach?«, plapperte die alte Frau. »Das ist aber gar nicht schön. Ich hätte noch etwas Bullrichsalz bei mir …«
    Fabian drehte sich zu mir um, ruckte energisch mit dem Kinn Richtung Tür und schob Frau Grellheimer gleichzeitig sanft vor sich her. »Los«, zischte er mir aus dem Mundwinkel zu.
    Ich gehorchte nur zögernd. Er schloss hinter mir ab.
    Die alte Dame blickte mich verwirrt an. »Das ist nicht Almuth, Paul. Das ist …«
    »Hanna, eine neue Schwester«, stellte ich mich vor. Wer war Paul?
    »Wie nett.« Sie lächelte liebenswürdig. Ich lächelte zurück. Sicher ist schließlich sicher.
    Doch Fabian griente bloß. »Paul ist ihr Enkel. Sie behält nichts. Also keine Sorge«, flüsterte er mir ins Ohr, um dann mit lauter Stimme fortzufahren: »So, Frau Grellheimer, wir beide gehen jetzt schön singen. Liegt Ihnen heute der Bass mehr?« Er brummte in seiner tiefsten Stimmlage vor sich hin. Sie kicherte fröhlich. »Oder versuchen Sie es mit dem Sopran?« Er kickste gequält, und sie lachte laut und strahlte ihn zärtlich an.
    »Du bist wirklich ein lieber Junge, Paul.«
    »Ja«, stimmte Paul-Fabian ihr zu und drückte ganz behutsam ihren Arm. »Mal sehen, ob wir heute nicht einmal zusammen ›Marina, Marina, Marina‹ schmettern können, was? Das mögen Sie doch besonders gern.«
    Wahrscheinlich trällerten sie das jedes zweite Mal. Doch ihr Tag war sichtlich gerettet. Ich hätte dieses Milchgesicht küssen können. Stattdessen drehte es sich rasch noch einmal zu mir um und flüsterte: »Ich habe jetzt etwas bei Ihnen gut, nicht?«
    »Ja.« Was nun wohl kam? Ob ich mit singkreisen sollte? Du lieber Himmel, nein! Damit wäre wirklich niemandem gedient.
    »Ich verstehe ja nicht viel vom Schminken«, grinste der Jüngling in diesem Moment. »Aber wenn das Zeugs fast abblättert, weil es so dick aufgetragen wurde, werde selbst ich misstrauisch. Irgendwann müssen Sie mir deshalb noch einmal erzählen, wie es sich anfühlt, wenn man tatsächlich nach Strich und Faden verdroschen wird.« Sprach’s, wandte sich erneut um und schob Frau Grellheimer sanft, aber energisch der Gesangsstunde entgegen.
    Schlingel, der.
    Als ich zu Hause eintraf, passierte zweierlei: Das Telefon läutete, und Johannes radelte zielsicher auf meine Villa zu. Ich schloss hastig auf, winkte ihm zu und nahm ab. Es war Thomas.
    »Oh«, sagte ich nur. Eine enthusiastische Begrüßung hört sich zweifellos anders an.
    »Bist du allein?«
    »Nein«, antwortete ich wahrheitsgemäß.
    »Verstehe«, schnappte er. »Dann versuche ich es wohl besser ein anderes Mal.«
    Und bevor ich noch etwas Passendes erwidern konnte, hatte er auch schon aufgelegt. Verdutzt starrte ich auf den Hörer in meiner Hand. Irgendwie stand diese Verbindung in jeder Hinsicht unter

Weitere Kostenlose Bücher