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DrachenHatz

DrachenHatz

Titel: DrachenHatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ute Haese
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gestoßen und völlig fassungslos und sucht nach einem Schuldigen. Diese Empfindung ist ganz normal.«
    »Aber bei Almuth ist es doch etwas anderes«, beharrte ich stur. »Sie war nicht krank, es ging ihr gut, und sie fühlte sich wohl hier. Ich habe sie nie über irgendwelche Schmerzen klagen hören.« Erschüttert sank ich auf den nächstbesten Stuhl; die Schwester goss mir ungefragt einen Kaffee ein und schob mir die Tasse herüber. Wahrscheinlich zahlte sie die aus eigener Tasche.
    »Wir waren auch alle überrascht«, gab sie bekümmert zu.
    »Sie war doch noch gar nicht so alt« soufflierte ich hoffnungsfroh, »ich meine, was ich damit sagen will, ist, dass es doch nicht einfach Altersschwäche gewesen sein kann.«
    »Nein. Aber manchmal … ist es einfach besser, so einen Schlag hinzunehmen, als sich ewig mit dem ›Warum‹ zu quälen.«
    »Ja«, stimmte ich brav zu, nur um zwei Sekunden später heftig hervorzustoßen: »Aber ich verstehe es trotzdem nicht. Hat denn niemand Verdacht geschöpft?«
    »Verdacht geschöpft?«, echote sie alarmiert. »Wieso denn das? Was meinen Sie?«
    »Na ja, dass da möglicherweise etwas faul sein könnte.«
    »Unsinn.« Jetzt raunte sie nicht mehr mit watteweicher Stimme.
    »Aber so muss es doch gewesen sein«, blieb ich standhaft. »Vielleicht hat sie etwas im Essen nicht vertragen.«
    »Bei uns wird seniorengerecht gekocht«, wies sie mich auf der Stelle zurecht.
    »Ja schon. Aber irgendetwas –«
    Sie beugte sich vor. »Hören Sie, Sie stehen unter Schock und wissen nicht, was Sie sagen. Manchmal stirbt ein Mensch plötzlich. Das ist so. Da kann man nichts machen. Bleiben Sie ruhig noch ein wenig hier sitzen, und dann fahren Sie nach Hause und überschlafen die ganze Sache. Morgen sieht die Welt wieder ganz anders aus.«
    Ob sie in diesem Dutzi-Dutzi-Tonfall auch mit den alten Leuten sprach? Dann hätte ich sie spätestens nach dem dritten Satz mit meinem Krückstock davongejagt oder ihr meinen Rollator in die Hacken geschoben. Aber allerspätestens.
    Doch bevor ich noch eine überaus passende Antwort herunterschlucken konnte, öffnete sich die Tür, und herein spazierte zu meiner großen Freude Fabian.
    »Hallo«, grüßte er automatisch. Dann erkannte er mich, und seine Augen wurden kreisrund. »Sie sind doch nicht wegen –«
    »Ich wollte Frau Pomerenke besuchen, aber sie ist tot«, schniefte ich rollengerecht.
    »Gestern. Ja.« Fabian kämpfte mannhaft mit irgendwelcher Feuchtigkeit in seinen Augen. »Ich habe sie gemocht.«
    Die Schwester räusperte sich dezent. »Fabi, ich teile gerade das Essen aus. Könntest du …«
    Er nickte, ließ sich schwer auf den Stuhl mir gegenüber fallen und wartete noch so eben, bis seine Kollegin die Tür hinter sich ins Schloss gezogen hatte, bevor er herausplatzte: »Weshalb sind Sie hier? Hat das etwas mit Frau Pomerenkes Tod zu tun?«
    Ich fackelte nicht lange. »Ja. Sie starb für meinen Geschmack ein bisschen zu früh.«
    Bei meinen Worten verwandelte sich sein offenes rosiges Gesicht schlagartig in eine mehlig graue Maske. »Ich glaube, ich erbe in Wahrheit gar nichts. Das war alles nur ein Jux«, bemerkte er auf meinen verblüfften Blick hin mit einem panischen Unterton und wirkte in diesem Moment keinen Tag älter als siebzehneinhalb. Du großer Gott. Hier lief entschieden etwas schief.
    »Natürlich. Davon gehe ich aus«, beruhigte ich ihn rasch. »Nein, mir geht es um ganz andere Fragen. Hat sie Ihnen vielleicht etwas Wichtiges erzählt? Oder ist Ihnen etwas Ungewöhnliches aufgefallen?«
    »Gestern?«
    »Ja.«
    »Puh«, stöhnte er und stützte beide Ellenbogen auf den Tisch. »Ich weiß das jetzt nicht so genau.«
    Ich hatte Mitleid mit ihm. Er musste sich auch wirklich überrumpelt vorkommen. »Gut«, sagte ich also lammfromm, »fangen wir mit den leichteren Fragen an: Wann genau ist sie gestorben? Wissen Sie das?«
    »So gegen sechzehn Uhr«, kam es prompt.
    Aha. Da hätte Greta schon mit Lichtgeschwindigkeit zum Heim sausen müssen, um ihre Mutter eigenhändig umzubringen. Zu der Zeit hatte sie fast noch auf meiner roten Couch gesessen. Nein, es war so gelaufen, wie ich bereits vermutet hatte: Sie hatte erneut ihrem ominösen Helfer Bescheid gegeben, und der hatte die Angelegenheit umgehend dezent und effizient erledigt.
    »Wer hat sie gefunden?«, arbeitete ich mich weiter vor.
    »Ich«, gestand Fabian bedrückt. »Ich hatte frei und wollte ihr erzählen, dass ich mich nun doch für ein Studium entschieden habe.

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