DrachenHatz
keinem guten Stern, doch bevor ich die Problematik gedanklich vertiefen konnte, rief Johannes: »Hanna, komm schnell, das glaubst du nicht!«
Ich eilte hinaus und sah – nichts, bis er stumm auf Hannelore zu seinen Füßen deutete. Thomas war vergessen. Ich hätte fast gekotzt. Das Krötenprachtweib fraß eine Schnecke. Eine von diesen dunkelorangen Nacktschnecken ohne Haus. Biss mitten hinein und scherte sich keinen Deut um den Schleim. Sie keuchte und blubberte zwar ein bisschen, doch das vermochte den Genuss offenbar nicht zu mindern. Mir wurde ganz mulmig im Magen. Ich kann ja eine Menge ab, aber dies war einfach nur eklig.
Mit einem entschiedenen »Ich warte drinnen« drehte ich mich um und rauschte hinein. Johannes folgte mir. Ihn schienen Hannelores kulinarische Vorlieben in keiner Weise abzustoßen. So wie mich. Und da half mir auch nicht die ansonsten überaus segensreiche weibliche Solidarität, sondern lediglich ein abrupter Themenwechsel.
»Johannes, ich möchte dich nicht drängen, aber weshalb bist du gekommen? Ein Freundschaftsbesuch mitten am Tag ist doch sonst nicht dein Ding.«
Er war ehrlich erstaunt. Das sah ich ihm an. »Na, es geht natürlich um Rolf und Bettina.«
Jetzt war es an mir, verwundert zu gucken. Es dauerte nämlich einen kurzen Moment, bevor ich wusste, wovon er sprach. »Ach so, die Wanze.«
»Genau. Hast du sie mittlerweile abgebaut?«
»Öh … nein. Weißt du, es kam etwas wirklich Dringendes dazwischen«, plapperte ich. Ein bisschen peinlich war mir das schon. »Es ist nämlich so, Gretas Mutter –«
Er unterbrach mich einfach und blickte mich dabei seelenruhig an. »Dann tust du es jetzt sofort. Ich helfe dir.«
»Aber ich habe momentan überhaupt keine Zeit«, wehrte ich ab. Mit mäßigem Erfolg.
»Das ist mir egal. Jetzt«, beharrte er stur.
Ich fuhr mit dem Auto voran, Johannes kam radelnd hinterher. Die Wartezeit überbrückte ich mit einem gepflegten Plausch über den Pferdezaun.
»Wie stellst du dir das mit den Verdoehls eigentlich vor?«, fragte ich Johannes nicht ganz ohne Schärfe, als er wenig später neben mich trat. »Schauen wir bei den beiden auf einen höflichen Nachbarschaftsbesuch herein?«
»Keine Ahnung«, schnurrte mein Freund. »Denk dir irgendetwas aus. Du bist doch das Kreativtalent in Bokau.« Die Grundgütige hatte den Jungen wirklich mit einem exzellenten Nervenkostüm ausgestattet.
»Greta hat ihre Mutter umgebracht«, platzte ich nicht nur für ihn völlig unvermutet heraus. »Heute Morgen war ich im Heim. Die Sache ist ziemlich klar, und ich habe Beweise.«
Er hatte bei meinen Worten abrupt aufgehört, Nirwanas Hals zu streicheln. »Welche?«, erkundigte er sich knapp.
Ich sagte es ihm. Er schüttelte bedächtig den Kopf. »Das stimmt nicht«, meinte er dann langsam, »damit belegst du lediglich, dass die Frau vermutlich kurz vor ihrem Tod noch einen Besucher hatte, nicht jedoch, dass es sich dabei eindeutig um ihre Tochter handelte, geschweige denn, dass ausgerechnet sie die alte Frau umgebracht hat. Oder dieser geheimnisvolle Cognactrinker.«
»Stimmt«, räumte ich friedlich ein. Er hatte ja recht. Trotzdem wusste ich es besser. Manchmal ging es in der Welt doch verdammt einfach zu.
Nirwana knuffte ihren Herrn und Meister auffordernd am Arm. Der reagierte, indem er geistesabwesend in seiner Hosentasche kramte und ihr ein schrumpeliges Apfelstückchen hinhielt. Biokost. Natürlich. Johannes kaufte bestimmt keine »Pferdebelohnungsleckerlis« in Hufeisenform, die wahlweise nach Kräutern, Apfel-Kalzium, Karotte oder Mais schmeckten und bei dem Tier wahrscheinlich umgehend Blähungen und Karies verursachten.
»Und was willst du jetzt unternehmen?«
Nirwana knuffte erneut, doch Johannes ignorierte sie.
»Weitergraben«, sagte ich. »Dafür brauche ich allerdings noch ein bisschen Zeit.«
»Sei bloß vorsichtig«, mahnte er stattdessen. Ich rechnete es ihm hoch an, dass er mich nicht abzuhalten versuchte.
»Du ebenfalls«, gab ich ernst zurück. »Die Frau ist wirklich gefährlich und geht über Leichen. Also halte die Augen offen und pass bitte auf dich auf.«
Er brummte etwas, was sich bei genauem Hinhören als ein »Ja« entpuppte.
Anschließend konzentrierten wir uns erst einmal ganz auf das Pferd, das unsere geballte Aufmerksamkeit sichtlich genoss. Ich knuddelte an seinem Hals herum, während Johannes die Nüstern liebkoste.
»Und was wollen wir als Vorwand benutzen, um in die Wohnung zu gelangen?«, wechselte er
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