Drachenkaiser
bringen. Ich hoffe, dass sie die Ausrüstung stehlen können, ohne an Nitokris und Nagib zu geraten. Besser wäre es, ich könnte ihnen eine einfache, unverbindliche Nachricht senden, um Zwischenfälle zu vermeiden.« Fayence setzte sich auf den frei gewordenen Stuhl. »Hätten Sie geahnt, wohin uns das Schicksal führen wird?«
Silena betrachtete sein gebräuntes Gesicht, in dem sie wie bei Nitokris etwas Herrschaftliches, Stolzes entdeckte, das ihrer Meinung nach einem Pharao sehr gut gestanden hätte. Er und ich sind grundverschieden, doch teilen wir die gleiche Aufgabe. Als sie merkte, dass sie ihn durchaus attraktiv fand, fühlte sie sich ertappt und bekam ein schlechtes Gewissen. »Ich hatte vieles von dem, was mir in den letzten Wochen zugestoßen ist, nicht für möglich gehalten.« Sie gähnte und drückte ihm die Tasse in die Hand. »Lassen Sie mich noch ein wenig ruhen, danach komme ich zu Ihnen, und wir gehen die Pläne durch«, sagte sie schläfrig.
»Aber natürlich.« Fayence erhob sich und stellte die Tasse auf das Schränkchen, dann wandte er sich zum Gehen.
Silena legte den Kopf auf das Kissen, die linke Hand auf den Bauch und sah dabei auf die Wand mit dem Ornamentteppich, auf dem zwei Drachen miteinander kämpften.
Gegen einen Kaiser habe ich noch nie gefochten, dachte sie und dämmerte weg. Sie würde sich erst sicherer fühlen, wenn Brieuc hier wäre.
Aber wahre Sicherheit konnte ihr nur ein Mann geben, den sie vom fernen China aus gar nicht mehr suchen konnte. Auch der Kontakt zur Detektei, um nach dem neuesten Stand zu fragen, würde ihr von Zhiao bestimmt nicht gewährt werden. Fragen würde sie ihn dennoch, und zwar so lange, bis er vor ihrer Sorge und ihrer Hartnäckigkeit einknickte.
Bei aller Unsicherheit über Grigorijs Schickai barg es den Vorteil, dass sie noch immer daran glauben durfte, ihn lebend in die Arme schließen zu können. Und wenn sie mir eines Tages doch berichten müssen, seine Leiche gefunden zu haben?
Dieses Gefühl, den Anflug von Verlorenheit, kannte sie nicht von sich. Der Schlaf rettete sie vor Tränen.
13. Januar 1927, Flensburg, Provinz Schleswig-Holstein, Deutsches Kaiserreich
Leida Havock, wieder in ihr Großwildjägerdress gekleidet, beobachtete das Anwesen von Wilhelm Voss aus einem kleinen, trägen Passagierzeppelin heraus, der über Flensburg pendelte.
Los, zeig dich schon! Sie hatte sich gewundert, als sie ein Telegramm von einer Marie aus München bekommen hatte. Zuerst hatte sie die Nachricht für eine neuerliche Falle gehalten, doch die Anweisungen, die Marie im Auftrag von Silena übermittelte, klangen haargenau nach der Drachenheiligen. Glücklicherweise erinnerte sie sich an das Mädchen aus den Erzählungen ihrer Freundin, und durch einige Details in der Botschaft, die nur sie und die Großmeisterin kannten, wurde die Glaubwürdigkeit hergestellt. Leida fand die ungewöhnliche Botin passend.
Mit Silena selbst hatte sie keinen Kontakt mehr. Deren letzter Standort war die Villa von Kasimir Voss in Dresden gewesen, seitdem blieb es totenstill. Keine Nachricht, nicht einmal ein kurzer Funkspruch. Auch die Skyguards hatten nichts von ihrer Anführerin gehört.
Leida sah durch das Fernglas, betrachtete die Fensterfronten und das Dach der Stadtvilla. Als sie in der Zeitung lesen musste, dass die Villa mitsamt dem jungen Voss einem Brand zum Opfer gefallen sei, glaubte sie nicht an dessen Tod. Du hast Silena gefangen genommen, Voss, und deinen Sohn in Sicherheit gebracht, während der Rest der Welt ihn für tot hält. Kluger Schachzug. Irgendwann würde Kasimir Voss auftauchen und behaupten, er sei auf einem Ausflug gewesen oder etwas anderes Abstruses.
Leida hatte nicht als Einzige ein Fernglas dabei. Touristen nutzten das Luftschiff gerne, um sich einen besseren Eindruck von der Provinz zu verschaffen und die Sehenswürdigkeiten Flensburgs von oben zu betrachten. Sie fiel somit nicht auf, und es flog auf einer Route, bei der das Voss’sche Haus permanent zu sehen war. Der Zeppelin war das optimale Beobachtungsvehikel. permanent zu sehen war. Der Zeppelin war das optimale Beobachtungsvehikel.
Am Boden hatten sich ein Dutzend Männer ihrer Einheit um die Villa verteilt, um jeden Schritt zu überwachen, den Voss tun würde. Drei Wagen hatte sie gemietet, falls der Magnat mit dem Automobil verschwinden wollte.
Ich würde ja das Haus zu gern stürmen und mir den Fettsack vornehmen. Seit ihr der Gedanke gekommen war, ließ er sich nicht mehr
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