Drachenkampf
einen Knochen zu verschlingen.
»Ni’Akt ist tot«, berichtete der große Schwarzdraq. »Entgegen der Anweisungen ist er hinausgegangen und wurde ermordet. Ich glaube, dass das Mischblut sein Mörder ist.«
Der alte Draq nickte, ohne seine Mahlzeit zu unterbrechen.
»Was auch bedeutet, dass er uns bald finden wird«, fügte Kh’Shak hinzu. »Er ist sicher schon ganz in der Nähe.«
»Das hat keinerlei Bedeutung«, sagte der Zauberer. »Diejenige, die wir suchen, hat sich dem Auge des Drachen der Nacht schließlich doch offenbart. Ich weiß, wo sie sich aufhält, und ich werde dich kraft meiner Gedanken dorthin führen.«
»Endlich!«
»Glaubst du etwa, es war ein leichtes Unterfangen?«
»Nein, aber …«
Der alte Draq hob beschwichtigend die magere Krallenhand. »Kehr zu deinen Männern zurück, Kh’Shak. Holt eure Pferde und brecht umgehend auf. Wenn ihr schnell seid und eure Sache gut macht, dann wird die Italienerin noch heute Nacht ihre Seele aushauchen.«
3
I n jener Nacht auf Schloss Fuchsbau widmete sich Alessandra di Santi gerade der Lektüre, als sie das Geräusch von Reitern vernahm, die sich im Galopp näherten. Da sie von ihrem Zimmer aus nur einen Ausblick auf die Gartenwege und den ringsum mit Bäumen bestandenen Park hatte, begab sie sich in ihr Vorzimmer. Nachdem sie den Vorhang etwas zur Seite geschoben hatte, erblickte sie La Fargue und Almadès genau in dem Moment, als die beiden aus dem Sattel sprangen und die Stufen der Freitreppe erklommen, wo sie von Leprat in Empfang genommen wurden.
Sie lächelte, entfernte sich wieder vom Fenster, zupfte im Vorbeigehen vor dem Spiegel eine rote Haarsträhne zurecht und befand, dass das warme, fahlgelbe Licht der Kerzen sie außerordentlich hinreißend aussehen ließ. Wieder in ihrem Zimmer, setzte sie sich in den Sessel und widmete sich erneut ihrer Lektüre.
Kurz darauf führte die Kammerzofe La Fargue herein. Die Italienerin hob den Blick und empfing ihn mit einem reizenden Lächeln. »Guten Abend, Herr Hauptmann. Wie komme ich zu dem Vergnügen Eures Besuchs?«
Ohne zu antworten, schloss der alte Edelmann die Tür, drehte den Schlüssel zweimal im Schloss um, warf einen Blick aus dem Fenster, zog die Vorhänge zu und baute sich dann ernst und beinahe bedrohlich vor der schönen Spionin auf.
»Ah!«, rief diese und legte ihr Buch beiseite. »Es handelt sich also nicht um einen Höflichkeitsbesuch …«
»Genug der Spielchen, Madame.«
Gelassen erhob sich Alessandra unter dem Vorwand, sich ein Gläschen Likör einschenken zu wollen. Die Flasche thronte auf einem runden Beistelltischchen. Wäre sie sitzen geblieben, hätte sie es La Fargue erlaubt, sie mit seiner ganzen Masse zu überragen und so Überlegenheit zu demonstrieren – was sie verabscheute.
»Und welches Spiel, glaubt Ihr, spiele ich, Monsieur?«
»Noch kenne ich weder die Regeln oder die Absichten dahinter. Aber ich kann Euch versichern, dass sich das hier und jetzt ändern wird. Ich bin nicht Monsieur de Laffemas, Madame. Ich bin Soldat. Und wenn Ihr weiterhin auf Euer Spiel besteht, wird unsere Unterhaltung eine ausgesprochen unhöfliche Wendung nehmen.«
»Wollt Ihr mir etwa drohen, Monsieur?«
»Ja.«
»Und Ihr seid ganz der Mann, der seine Drohungen wahrmacht …«
Diesmal erwiderte Hauptmann La Fargue nichts.
Die Italienerin hielt seinem Blick stand, ohne zu zwinkern, nahm wieder in ihrem Sessel Platz und lud La Fargue ein, sich ihr gegenüber niederzulassen, eine Einladung, die er annahm, nachdem er sich seines Wehrgehänges und seines Degens entledigt hatte.
»Es geht um Vicarius, nicht wahr?«, fragte Alessandra.
Der alte Edelmann zuckte zusammen. Was wusste sie genau über die Rückschläge, die der Alchemist den Klingen beschert hatte?
»Seid unbesorgt«, sagte sie, als könnte sie seine Gedanken lesen. »Ich kenne die Details darüber, was unlängst in La Rochelle geschehen ist, nicht. Ich weiß in dieser Sache nur das Nötigste. Aber das ist für Euren Geschmack wohl zweifellos schon zu viel?«
La Fargue starrte die Italienerin mit unbewegtem Blick an. »Wisst Ihr um die Art der Dokumente, die Ihr uns heute habt übergeben lassen?«, fragte er.
Verärgert zuckte Alessandra mit den Schultern: »Sicher.«
»Steckt der Alchemist hinter dem Komplott gegen den König, das ihr angeblich verraten wollt?«
»Das Komplott gegen den Thron«, stellte sie klar. »Und ja, der Alchemist ist der Hauptverantwortliche dafür. Genauso wie die Herzogin von Chevreuse
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