Drachenkampf
sich wieder auf, steckte seinen Degen ein und betrachtete die Italienerin, die sich aufrappelte, indem sie sich an der Mauer abstützte.
»Sputet Euch, Madame«, sagte er mit einer Stimme, die keinerlei Gefühlsregung verriet. »Vielleicht wollt Ihr Euch vor Eurem Treffen mit Monsieur de Laffemas im Châtelet ja noch ein wenig ausruhen.«
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D ie Rue Saint-Thomas-du-Louvre befand sich in einem Viertel, das sich zwischen dem Palais du Louvre im Osten und dem Palais des Tuileries im Westen erstreckte, zwischen der Rue Saint-Honoré im Norden und der Grande Galerie im Süden. Dieses alte Viertel hatte im Laufe der Jahrhunderte so manche Umwälzung erlebt, sodass es sich seltsam eingelassen wiederfand, seit die Grande Galerie – die auch »Galerie am Wasser« genannt wurde – den Louvre am rechten Seineufer mit den Tuileries verband. Trotzdem behielt es seine mittelalterliche Anmutung. Schmutzig, eng und dicht bewohnt bildete es einen traurigen Kontrast zu den herrschaftlichen Gebäuden, die es zu drei Seiten umgaben.
Vom Kai der Seine kommend, endete die Rue Saint-Thomas-du-Louvre dort, wo sie auf die Rue Saint-Honoré stieß, gleich gegenüber des Palais-Cardinal . Sie verdankte ihren Namen einer Kirche aus dem dreizehnten Jahrhundert, die zu Ehren des heiligen Thomas von Canterbury errichtet worden war, und genoss einen gewissen Bekanntheitsgrad aufgrund zweier angrenzender herrschaftlicher Häuser, nämlich dem Hôtel de Rambouillet und dem Hôtel de Chevreuse . Ersteres war das Pariser Domizil der Marquise de Rambouillet, die dort einen berühmten literarischen Salon unterhielt. Letzterer gehörte Madame de Chevreuse, deren Ruf als Liebhaberin, Intrigantin und Frau von Welt unübertroffen war.
An jenem Abend gab die Herzogin einen Empfang.
Am monumentalen Portal ihres Anwesens brannten Fackeln und erhellten die gesamte Straße in der Abenddämmerung. Weitere Fackeln beleuchteten den Hof. Die Gäste trafen ein: in Prunkkutschen, in Sänften, zu Pferde. Aber auch zu Fuß, begleitet von Dienern, die Laternen trugen und ihren Herren, einmal vor Ort, dabei halfen, die Schuhe, ja sogar die Strümpfe zu wechseln. Es bildeten sich Grüppchen zu beiden Seiten der Rue Saint-Thomas . Vor dem Eingang herrschte ein regelrechtes Gedränge. Die Gäste plauderten vergnügt durcheinander, angesichts des grandiosen Abends, der sie erwartete, bereits jetzt gut gelaunt. Die Scherze der Herren und das Gelächter der Damen störten die anbrechende Nachtruhe.
Im Hof behinderten sich Sänften und Kutschen gegenseitig, die Runden drehten, um ihre Insassen vor der Eingangstreppe abzusetzen. Nervös von all dem geschäftigen Treiben, wieherten die Pferde an der Kandare und schlugen im Geschirr aus. Diener und Kutscher taten ihr Bestes, um einen Unfall zu vermeiden. Für die adligen Herrschaften war es eine Frage des auffälligsten Auftritts mit ihren prunkvollen Gefährten und ihrer glanzvollen Garderobe.
Doch es gab einen Gast, der – obwohl er ganz ohne Domestiken und in einer einfachen Mietdroschke kam – ein gewisses Aufsehen erregte. Dürr und bleich mit eisigen grauen Augen und blutleeren Lippen, trug er die schmucklose schwarze Kutte eines Gelehrten und würdigte niemanden auch nur eines Blickes.
»Wer ist das?«, fragte man leise.
»Das ist Maudit.«
»Wer?«
»Maudit! Der neue Zaubermeister von Madame de Chevreuse!«
»Der, von dem es heißt, er sei ein Magier?«
Maudit.
Das war also der Name, unter dem er hier bekannt war. Aber er hatte schon viele andere Namen gehabt.
Und einigen wenigen war er als der Alchemist der Schatten bekannt.
III – Die Affäre Chevreuse
1
D as Treffen fand bei Anbruch der Nacht statt, an der Route de Saint-Germain , in einem Gasthof, dessen Aushängeschild ein Hirschkopf zierte, gelb angestrichen und leidlich abgeblättert. Die Herberge hatte schon bessere Tage gesehen. Unlängst noch ein florierendes Geschäft, litt sie heute unter dem Bau einer Brücke in Chatou , wo ein Fährboot lange Zeit die einzige Möglichkeit bot, die Seine zu überqueren. Diese Brücke änderte zwar nichts an der Route derer, die von Paris nach Saint-Germain wollten und umgekehrt. Aber durch sie gewann man Zeit, und seit nunmehr fast zehn Jahren war die Zwischenstation im Goldenen Hirschen dadurch nicht mehr obligatorisch.
Die Reiter kamen in der Abenddämmerung an.
Es waren vier an der Zahl, alle in lange, dunkle Mäntel gehüllt und mit großen Filzhüten auf den Köpfen. Alle in Reitstiefeln, und alle
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