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Drachenkinder

Drachenkinder

Titel: Drachenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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und eine Bluttransfusion bekam. Erst dort war Dadgul ohnmächtig zusammengebrochen.
    Ich atmete tief ein und aus. Okay. Das genügte erst mal.
    Als wir nach weiteren zwei Schläuchen Saft und einem Trichter Milch in Frankfurt landeten, wollte ich dem armen Dadgul die Zeitumstellung erklären, aber er hatte noch nicht mal eine Uhr. Aus lauter Mitleid und Hilflosigkeit nahm ich meine kleine Armbanduhr ab und band sie ihm um. Das war so eine Art Versprechen, wie mir später bewusst wurde.
    Dadgul sah mich aus seinen schwarzen Augen fragend an. Verwundert? Dankbar? Ich weiß es nicht.
    Als er mit der gesamten Gruppe per Taxi auf die zuständigen Krankenhäuser verteilt wurde, winkte ich ihm noch lange nach. Mit einem riesigen Kloß im Hals setzte ich mich in den Bummelzug nach Wolfsburg und konnte das alles noch gar nicht fassen. Und als ich abends in Bergfeld die Haustür aufschloss und meine gesunden, nach Zahnpasta und Nivea duftenden Kinder in den Arm nahm und mein heiß geliebter Micki die Arme ausbreitete und mich an seine Brust drückte, brach ich zum ersten Mal in Tränen aus.
    Was für ein unbeschreibliches Glück, wieder zu Hause zu sein.

8
    »Was soll denn das jetzt schon wieder?« Michael stapfte die Einfahrt hoch und wies mit dem Kinn auf sein Auto, das wieder mal draußen parken musste. Dabei schwang allerdings kein Ärger, sondern eher Amüsement in seiner Stimme mit. »Mit was hat meine bezaubernde Frau denn diesmal die Garage vollgestopft?«
    »Mit Medikamenten«, sagte ich nicht ganz ohne Stolz. »Sechzehn Tonnen. Von Pharmafirmen aus ganz Deutschland zusammengebettelt.«
    Michael schüttelte lächelnd den Kopf: »Würde man dich bitten, einen Stadtpark auf dem Mars anzulegen, würden jetzt sechzehn Tonnen Gras, Erde und Stiefmütterchen in der Garage lagern, was?«
    »Na ja.« Achselzuckend vergrub ich die Hände in den Hosentaschen. »Das nennt man wohl Berge versetzen, nicht wahr?«
    Micki nickte, zog mich an sich und drückte mir einen Kuss aufs Haar. »Also, wenn eine das wörtlich nimmt, dann du!« Er schnupperte erfreut in Richtung Küchenfenster: »Hmmm! Und bei alldem hast du sogar noch was Leckeres gekocht!«
    Logisch. Während meiner unzähligen Telefonate mit Pillendrehern aller Art hatte ich mit der freien Hand den Kochlöffel geschwungen.
    »Ich verstehe gar nicht, dass sich andere Hausfrauen beim Kochen langweilen.« Grinsend sah ich zu, wie Micki den Topfdeckel hob. »Man kann dabei doch so viel SINN volles tun!«
    »Genau.« Micki musste laut lachen. »Dann hat man als Frau auch was EIGENES .«
    »Besser als ein Jodeldiplom«, gab ich zu bedenken.
    »Ich bin dir sehr dankbar, dass du nicht singst.« Michael umarmte mich und sah mich mit zärtlicher Bewunderung an: »Du bist wirklich jemand ganz Besonderes, Sybille.«
    »Ich weiß.« Ich winkte bescheiden ab. »Aber es macht mir einfach Spaß zu helfen!« Ich zeigte auf die vollgestopfte Garage. »Irgendwie hat der Jäger- und Sammlertrieb von mir Besitz ergriffen! Sechzehn TONNEN !« Ich strahlte bis über beide Ohren.
    »Besser als wenn du sechzehn Tonnen Schuhe oder Klamotten sammeln würdest.« Michael nahm sich ein kaltes Bier aus dem Kühlschrank und ging zur Tagesordnung über. »Wo sind die Kinder?«
    »Simon ist beim Fußballtraining und Vanessa beim Kunstturnen. Ich hole sie gleich ab.«
    »Eine interessante Familie habe ich da«, murmelte Michael, während er in sein Arbeitszimmer hinaufstapfte. »Da kommt nie Langeweile auf.«
    Bald darauf klingelte das Telefon. Ich nahm ab.
    »Hallo? Spreche ich mit Sybille Schnehage?«
    Eine männliche Stimme mit ausländischem Akzent. Mein Herz klopfte.
    »Ja?«
    »Katharinenhospital, Stuttgart. Ich bin Dadguls Pfleger. Mein Name ist Syrus.«
    »Oh! Ja! Toll! Ich meine, wie geht es ihm?«
    »Er hat die erste Operation gut überstanden! Sie hat über dreizehn Stunden gedauert, er hat sechs Liter Blut übertragen bekommen, wird über eine Magensonde ernährt und ist ziemlich deprimiert. Hier ist ja alles völlig neu für ihn – angefangen von der Krankenschwester mit nackten Armen und Beinen, die ihn ständig anfasst, über die Schmerzen bis hin zur Sehnsucht nach seiner Frau und den Kindern. Mal ganz abgesehen davon, dass keiner weiß, wie es noch wird.«
    Syrus erklärte mir, dass den Ärzten das Kunststück gelungen war, Dadgul einen neuen Gaumen zu formen, und zwar aus dem Gewebe seiner linken Achselhöhle. (Dass daraus fortan kräftige schwarze Haare sprießen sollten, lag damals

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