Drachenklänge
Burgherr.
»So behindert bin ich nicht, dass ich nicht meinen Beitrag leisten könnte«, hielt Robinton ihm entgegen. »Außerdem ist da noch Struan …« Er freute sich auf das Wiedersehen mit seinem alten Schlafsaal-gefährten, der nun ein tüchtiger Harfnergeselle war.
»Und wie ich weiß, gilt Lady Adessa als virtuose Har-fenspielerin.
»Aber deine Wunde …«
»Ich kann immer noch singen, Lord Kale.« In Gedanken ging Robinton bereits die Balladen durch, die Kale vielleicht aus seiner Sorglosigkeit und Lethargie reißen konnten. In normalen Zeiten wäre Lord Kale der Inbegriff eines guten Burgherrn gewesen – tolerant, umgänglich und liebenswürdig. Doch Fax hatte dafür gesorgt, dass diese an sich positiven Eigenschaften immer mehr an Wert verloren.
Nachdem der Heiler der Burg Robintons Arm neu
verbunden hatte, kletterte der Harfner auf die Spitze des Trommelturms und bat den Dienst habenden jungen Burschen um die Erlaubnis, eine Nachricht an die 525
Harfnerhalle schicken zu dürfen. Er wollte seine bal-dige Rückkehr ankündigen.
Die kleine Lessa ließ sich kurz nach dem Beginn der abendlichen Unterhaltung blicken und schlief dann auf dem Schoß des Vaters ein. Robinton amüsierte sich darüber, denn er hatte gerade ein mitreißendes Lied gesungen, bei dem die Zuhörer im Takt klatschten und mit den Füßen stampften. Ein in der Nähe wohnender Pächter, der zum Essen geladen war, entpuppte sich als geschickter Löffel-Spieler und gesellte sich zu den anderen Musikanten.
Ruathas Haupthalle besaß eine ausgezeichnete Akustik, und es bereitete Robinton viel Vergnügen, darin zu singen. Vielleicht lag es auch an den Wandteppichen, dass die Musik so vortrefflich klang. Von seinem Platz aus konnte Robinton den größten Wandbehang sehen.
Er zeigte ein spektakuläres Bild von Drachenreitern, die über Burg Ruatha schwebten. Am auffälligsten waren die goldenen Drachenköniginnen. Ihre Reiterinnen hielten lange Stäbe, aus denen Flammengarben schossen.
Die am Boden tätigen Menschen waren mit denselben flammenden Stöcken ausgerüstet.
Man merkte an vielen Dingen, dass Lady Adessa in Ruatha Einzug gehalten hatte. Robinton entsann sich, wie die Haupthalle zu Lord Ashmichels Lebzeiten
ausgesehen hatte. Damals hatte der Saal eine düstere, verwahrloste Atmosphäre ausgestrahlt, und die Details auf den wunderschönen Wandbehängen waren
vor Schmutz unkenntlich gewesen. Lautete nicht ein neues Sprichwort, neue Besen kehren gut?
Am nächsten Morgen, nach einem erholsamen Schlaf in einem breiten, komfortablen Bett, fühlte sich Robinton erfrischt genug, um seine Reise fortzusetzen. Als er sich auf Big Blacks Rücken schwang, hoffte er nur, Lord Kale würde etwas mehr Misstrauen gegenüber
Fax an den Tag legen. Aber der Burgherr hatte immer-526
hin genug Einsicht gezeigt, um seine Grenzposten zu verstärken. Außerdem wollte er Holzstapel für Signalfeuer aufschichten lassen.
»Obwohl ich nicht glaube, dass dieser Aufwand
nötig ist«, meinte Kale beim Abschied.
Unterwegs kreiste ein Lied in Robintons Kopf, das sich mit neuen Gemahlinnen und neuen Besen beschäftigte. Melodien fielen ihm zu den unpassendsten Zeitpunkten ein, doch er war froh, dass seine Spontaneität zurückkehrte.
*
Wenige Wochen später traf Nip in der Harfnerhalle ein. Er sah erschöpft und mitgenommen aus.
»Du bleibst hier, bis Meister Oldive dich wieder für diensttauglich erklärt«, beharrte Robinton, während er den Kurier zu dem Heiler begleitete.
»Lass mich zuerst berichten, Robinton«, bettelte Nip.
»Ich höre dir erst zu, wenn Oldive dich untersucht hat, du ein Bad genommen und etwas gegessen hast«, erklärte Robinton resolut.
Nip wusste, wann er nachzugeben hatte.
Meister Oldive betrachtete kopfschüttelnd die Blutergüsse, Schürfwunden und die zwei geschwollenen und blaurot angelaufenen Zehen an einem Fuß.
Meister Oldives deformiertes Rückgrat schien Nip zu faszinieren, obwohl er sich taktvoll bemühte, nicht ständig hinzusehen. Aber Oldive hatte sich längst an neugierige Musterungen gewöhnt, und sie machten
ihm nichts mehr aus.
»Ich verordne ein ausgiebiges heißes Bad, eine
doppelte Portion von Silvinas gutem Essen und ein paar Tage Bettruhe«, verkündete Oldive nach der Untersuchung. »Dann dürften deine Blessuren ausgeheilt sein.«
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»Ein paar Tage? Unmöglich!« Nip sah aus, als wäre er am liebsten vom Untersuchungstisch gesprungen.
»Gegen ein Bad und eine anständige Mahlzeit hätte ich
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