Drachenkreuzer Ikaros: Roman (German Edition)
daß es dir gelang – wie du es nennst –, den Blick vom Boden zu reißen. Darum beneide ich dich von ganzem Herzen.”
Soll sie es ihm sagen, daß dieser Kraftspender ein ungeborenes Kind ist, kein anderer Mann? Oder macht sie sich selbst etwas vor, hat Goff daran mehr Anteil, als sie sich eingestehen will?
Hendrikje zaudert. Nein, sagt sie sich schließlich, das geht Ireas nichts an, aus einer längst vergessenen Vergangenheit kann er keinerlei Rechte herleiten.
“Laß mich jetzt allein, Ireas”, bittet sie und schaut wieder aus dem Bullauge. Weißglühende Fontänen spritzen aus der Sonne, direkt unter ihnen bohrt sich ein gewaltiger Strudel in das glühende Wogen und Wirbeln der Plasmaströme. Skamander hat ihr erklärt, die Planeten seien so etwas wie natürliche Empfänger für Gravitationswellen. Dem winzigen Drachenkreuzer könne nicht viel geschehen, aber in den Planeten würden Kräfte und Spannungen entstehen, die furchtbare Katastrophen hervorrufen könnten. Viel schlimmer aber sei, wenn die Sonne derart aus dem Takt gerate, daß sie wie eine Nova explodiere, davor gäbe es keine Rettung, und sie müßten unbedingt herausfinden, ob damit zu rechnen sei, damit die Menschen das Sonnensystem rechtzeitig verlassen könnten…
“Eine Minute nur noch, Hendrikje… Ich muß einfach mal etwas anderes sehen als Bildschirme und Takelanzeigen, mal vier Wände um mich herum haben, auf denen nicht irgendwelche Diagramme leuchten und Kurven auf und nieder zucken… Ich will nur eine Winzigkeit verschnaufen, bitte…” Flakkes Stimme klingt unendlich müde.
“Dann hör doch auf, Ireas…”, sagt Hendrikje leise. Sein Lachen ist rauh und hart. “Aufhören”, sagt er bitter, “wie kann man aufhören zu schwimmen, wenn man von einem Ufer des Lebens zum anderen unterwegs ist. Wie eine reißende Flut würde es einen packen und in die Tiefe zerren und irgendwo vielleicht an Land spülen – aber der dann keuchend und zitternd aus dem Wasser kriecht, ist ein Toter, dem irgendwelche tierischen Reflexe noch Hände und Füße bewegen. Wasserleichen sind scheußlich, wußtest du das?”
“Verzeih!” Hendrikje spürt, daß sie etwas Dummes gesagt hat.
Aber Flakke wechselt scheinbar ohne ersichtlichen Grund das Thema. “Der Styx hat vorhin die Koordinaten gefälscht. Ich dachte erst, ich träume, dann glaubte ich: Der Kerl ist verrückt, durchgedreht! Was meinst du, was im Zentrum für Sonnenforschung los war, als sie mit ihren neuen Instrumenten keine tektonischen Schwingungen empfangen konnten! Dabei hat Styx die Position der Abwurfmatrix nur ganz geringfügig verändert. Ich hätte es gar nicht gemerkt, wenn ich nicht gerade das Log synchronisiert hätte. Aber die haben auch nicht im Traum daran gedacht, den Fehler bei uns zu vermuten! Für das Zentrum ist klar, daß es nur an der neuen Technik liegen kann.”
“Warum erzählst du mir das, Ireas? Ich will damit nichts zu tun haben!” flüstert sie.
“Warte, es geht noch weiter. Ich habe Styx natürlich ins Gebet genommen. Er wäre vor Scham beinahe gestorben, hat mir was von einer Domina auf der Basis vorgefaselt und von seinen Jupiterschiffen und davon, daß es irgendwann ja doch passieren würde. Aber dann hat er vielleicht Augen gemacht, als ich ihm erzählte, wie er uns ungewollt geholfen hat! Fast glaube ich, er war gar nicht so unzufrieden mit dieser Wendung.”
“Und was wirst du tun?” fragt Hendrikje betroffen. Flakke erhebt sich und wendet sich zur Tür. Dann dreht er sich noch einmal um und zuckt die Schultern. “Ich werde auf die Brücke gehen und die nächste Serie vorbereiten, bevor die auf Terra damit fertig sind, ihre Instrumente wieder zusammenzubauen. Wir werden die Messungen so vornehmen wie früher – hier, vor Ort. Das werde ich tun.”
“Ireas! Damit machst du dich…” Hendrikje spricht nicht weiter. Was soll sie dem Mann auch sagen – er weiß es doch viel besser. Soll sie ihm klarmachen, daß er damit doch nur einen winzigen Aufschub erreicht, der solch eine Gewissenslast nicht wert ist?
“Hast du gehört, wie die Männer brüllen, wenn die Trailer aus den Startschächten katapultiert werden?” fragt er grimmig. “Hast du richtig hingehört? Früher war es ein Jubelschrei, heute klingt es wie ein ängstliches, verzweifeltes Kreischen…”
Dann schließt sich die Tür mit einem leisen Zischen. Hendrikje läßt sich auf die Koje zurücksinken. Unwillkürlich streicht sie wieder über ihren Leib. Dann schiebt sie sich
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