Drachenland: Roman (German Edition)
Gesicht.
»Ihr spracht von einem Traum«, sagte Ephrion freundlich.
»Ja, ein Traum. Ein Gefühl. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Worte können es nicht ausdrücken.«
Ephrion setzte sich in einen kleinen braunen Sessel mit Armlehnen, die wie Flügel aussahen. »Ich weiß von Eurer Gabe, Ceria. Ihr müsst Euch mir jetzt mitteilen, um Simbalas willen, Falkenwind zuliebe.«
Ceria blickte auf eine brennende Kerze am anderen Ende des Zimmers. Ihre Augen schienen fern, als seien sie auf einen anderen Ort und eine andere Zeit gerichtet. »In meinem Traum«, sagte sie langsam, »war ich wieder ein Kind und lebte in den Wagen meines Stammes. Es war ein kalter Abend, und es schneite. Ich lag unter meiner Steppdecke und spürte eine unerklärliche Angst. Ich stand auf, um Zurka zu suchen, die Frau, die mich großgezogen hat – aber sie war nicht in ihrem Bett. Ich lief nach draußen, vor Kälte zitternd. Im dunklen Wald, der die Wagen umgab, schienen kalte, glühende Augen zu lauern. Im Mondlicht entdeckte ich einen fremden Wagen in unserem Lager. Die Tür war angelehnt, und ich blickte hinein. Auf einem kleinen Kissen aus Samt lag ein glatter, runder Edelstein. Er war wolkig wie eine Perle, aber durchwirbelt von allen Regenbogenfarben, als sei Licht in seinem Inneren gefangen. Er war groß – so groß wie zwei gefaltete Hände. Ich hatte das Gefühl, ich müsste ihn aus der Nähe sehen. Aber als ich hingriff und ihn berührte, zerplatzte er wie eine Seifenblase. Heraus sprang ein Drache, winzig zuerst, aber er wuchs, wurde riesig. Seine Augen waren dunkelblau wie die Nacht. Sein Gesicht …« Ceria schloss die Augen einen Moment. »Es war traurig«, flüsterte sie. »Es war so viel Kummer in seinem Gesicht.«
Sie blickte Ephrion an. »Ephrion, er sah nicht aus wie das Wesen, das wir vom Fenster des Palastes sahen. Das Wesen hatte gelbe Augen und zwei Beine. Dieser Drache hatte vier. Ihr seid vertraut mit den Legenden; sagt Euch das, was ich geträumt habe, etwas?«
Ephrion stand auf und ging schweigend zum Schreibtisch. Ceria hörte das Rascheln der Schriftrollen und wartete. Als Ephrion wieder zu ihr trat, hatte er eine kleine Schriftrolle in der Hand.
»Dies hier«, sagte er, »ist, was Ihr gesehen habt, Ceria.«
Ceria setzte sich auf und nahm die Schriftrolle in die Hand. »Geht vorsichtig damit um«, sagte er, »die Rolle ist älter als der Palast.«
Ceria erschien das Papier zerbrechlicher als der Flügel eines Schmetterlings. Sie betrachtete die verblichene Zeichnung auf dem Pergament aufmerksam. Sie stellte genau das dar, was sie in ihrem Traum gesehen hatte – eine Kugel voller Farben, die im Lauf der Zeit verblasst waren.
»Es ist einer der legendären Drachensteine«, sagte Ephrion, »vielleicht sogar eine Drachenperle. Das Bild ist zu verblichen.«
»Legendär?«, fragte Ceria. »Dann gibt es die nicht mehr?«
Ephrion lächelte. »Wenn es den legendären Drachen noch gibt, können dann nicht auch andere Legenden noch existieren?«
»Ja«, sagte Ceria. »Das leuchtet mir ein. Aber warum kann ich mich dann nicht aus meiner Zeit im Shar-Wagen daran erinnern? Als ich noch ein Kind war, erzählte Zurka mir und meiner Halbschwester Balia die Legenden. Ich kann mich gut an die Drachen erinnern und was für edle, sanfte Wesen sie waren. Und doch kann ich mich nicht an eine Drachenperle erinnern.«
»Davon wusste ich auch nichts«, erwiderte Ephrion, »bis ich mich mit diesen Schriftrollen beschäftigte.« Er nickte in Richtung Schreibtisch. »Sie haben seit Jahrzehnten unberührt in der Bibliothek des Palastes gelegen. Jetzt, nach dem Auftauchen des Drachen, sehe ich sie mit anderen Augen an. Ich glaube, dass vieles, was man für Legenden hält, in Wirklichkeit die Geschichte der auf keiner Landkarte verzeichneten nördlichen Länder ist.« Ephrion nahm die alte Schriftrolle und legte sie behutsam auf einen kleinen Tisch. »Die Drachensteine sind Fundgruben des Wissens, Ceria. Sie wachsen im Kopf eines Drachen, wie eine Perle wächst. Die Erinnerungen, die Geschichte ihres Landes und die Geheimnisse der Drachen sind in diesen Kugeln enthalten.«
»Wie erstaunlich!«, rief Ceria aus. »Dann kann man aus diesen Steinen die Geschichte der Drachen erfahren!«
Ephrion nickte. »Ja. Für jeden Drachen gibt es einen solchen Stein. Doch gibt es nach den Legenden nur acht Drachenperlen. Die Drachenperle ist ein Stein, der im Kopf eines Drachenherrschers gewachsen ist, und acht Herrscher soll es in
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