Drachenland: Roman (German Edition)
trug den schönsten Sattel, den Tenniel je gemacht hatte. Der Sandalenmacher war stolz. Er musste den Bereich seiner Loyalität vergrößern – von der kleinen Stadt, in der er lebte, auf ganz Fandora. Es war eine erregende Vorstellung. Er wusste so gut wie nichts über die Simbalesen, doch wie konnte ihre Loyalität und Liebe zu ihren Städten sich am Einsatz der Fandoraner messen? Aber Krieg, dachte er, war nicht nur eine Frage von Loyalität und Begeisterung. Er wusste, dass sich die meisten Fandoraner Krieg sehr einfach vorstellten: große Scharen von Männern, die aus verschiedenen Richtungen aufeinander losrannten, schwerterschwingend und pfeileschießend; nach wenigen Minuten war der Sieg errungen, und die Verlierer mussten verdrossen zusehen, wie sich die Sieger ihre Beute aussuchten, meist edle Seide, Juwelen und manchmal Prinzessinnen.
Das war natürlich durchaus in Ordnung, aber er fragte sich, ob es wirklich so einfach sein würde. Schließlich war es bekannt, dass die Sim allerlei Zauberei beherrschten – was eine schreckliche Waffe sein konnte. Irgendetwas müsste unternommen werden, um sie unwirksam zu machen. Tenniel überlegte, dass er bei einer Abstimmung für oder gegen Krieg nicht dafür stimmen konnte, falls es kein Mittel gegen die Zauberkunst der Sim gab. Er war sicher, dass er und seine Landsleute mit jeder normalen Armee, die gegen sie antrat, fertig werden konnten – das wäre mit Sicherheit ein großes Abenteuer. Während er nach Westen ritt, fielen ihm Bruchstücke eines alten Kriegsliedes ein, das er einst von einem Reisenden aus den südlichen Ländern gehört hatte, und er sang vor sich hin, was ihm davon noch in Erinnerung geblieben war, wobei er den Namen des Helden durch seinen eigenen ersetzte. Es klang gut.
Lagow war sowohl Stellmacher als auch Zimmermann in Jelrich, und als solcher hatte er ein gutes Einkommen. Viele der Häuser und Läden in der Stadt waren von ihm gebaut worden, sein eigenes eingeschlossen, ein hübsches zweistöckiges Haus mit Mansarden und Vorratskammern und einem Weinkeller, um den ihn viele beneideten. Seine Ehefrau, die er vor siebenundzwanzig Jahren geheiratet hatte, hieß Dina, und gelegentlich beglückwünschte er sich immer noch zu seiner Wahl; an gesundem Menschenverstand, fand er, war sie ihm durchaus gewachsen. Sie hatte ihm zwei Söhne und eine Tochter geboren. Einen der Söhne hatten sie während der Fieberepidemie vor Jahren verloren, aber die Trauer war vorübergegangen, und jetzt war sein zweiter Sohn bei ihm in der Lehre, um das Geschäft einmal zu übernehmen. Seiner Tochter wurde von mehreren vielversprechenden jungen Männern der Hof gemacht. Lagow aus Jelrich war zufrieden mit seinem Leben, es war geordnet und behaglich. Er war stolz auf sich selbst und auf seine Familie und stolz auf die fünfzehn Jahre, die er der Stadt als einer der Ältesten gedient hatte. Er war der Meinung, dass er sich das Recht auf ein friedliches Alter verdient hatte, und darum durchaus nicht begeistert, als man ihn für die Ratsversammlung wählte.
»Ein lächerliches Unterfangen«, murrte er, während er Dina beim Packen seiner Taschen zuschaute. »Unruhe in das Leben eines alten Mannes zu bringen für solchen Unsinn. Ich werde ihnen meine Meinung sagen. Du wirst ja sehen.«
»Tu das nur«, sagte Dina munter. »So alt bist du doch gar nicht, Lagow. Achtundvierzig ist nicht alt.«
»Es ist auch nicht jung, keineswegs.«
»Betrachte es als Kompliment. Sie wissen deine Meinung zu schätzen.«
»Sollen sie doch herkommen, wenn sie sie so sehr schätzen. Warum muss ich meinen geplagten alten Körper den ganzen Weg bis zu den ›Treppen des Sommers‹ schleppen, nur um diesem reizbaren Dummkopf Jondalrun zu sagen, dass er Vernunft annehmen soll?«
»Nun hör sich das einer an! Als wäre der Mann ein seniler Alter, für den du die Verantwortung trägst!«
Lagow schnaubte. »Ich habe ihn auf der Ratsversammlung kennengelernt, bei der wir über die Überschwemmungen sprachen. Er war schon damals leicht erregbar, und es hört sich nicht so an, als habe er sich geändert. Alt und halsstarrig geworden, nehm ich an.«
»Du nicht?«, fragte sie, während sie ihm seine Taschen reichte und ihm eine Mütze über die Ohren zog. Dann sagte sie in leicht verändertem Tonfall: »Sei freundlich zu ihm und hüte deine Zunge, Gemahl. Ich habe letzte Woche auf dem Markt von seinem Verlust gehört.«
Lagow seufzte. »Ich habe dich schon verstanden, Dina. Ich weiß, dass
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