Drachenland: Roman (German Edition)
unbekannte Tiefe.
»Ihr werdet in Eurer Dummheit ihrer ganzen Armee den Einmarsch in den Wald ermöglichen!«
»Es ist keine Armee! Es ist ein Haufen von Hanswursten! Jibron, Ihr seid nicht mehr General! Mischt Euch nicht in meine Angelegenheiten!«
»Ich mische mich nicht ein, Vora, und dies sind nicht nur Eure Angelegenheiten! Als Mitglied der königlichen Familie bin ich sehr wohl betroffen!«
Falkenwind, Vora und Jibron befanden sich in einem hohen Raum des Palastes, nicht weit von der Windschiffsstation im östlichen Flügel. Durch ein großes Fenster in der sich neigenden Wand des Raumes strömte goldgelbes Licht. Es gab jetzt nicht mehr viel Zeit für theoretische Überlegungen; die Haupttruppen Simbalas, Bergarbeiter und andere junge Männer und Frauen aus Oberwald, würden vor dem Wald auf die Truppen aus Nordwelden und auf die Vorhut treffen. Mit der Rekrutierung von Männern und Frauen aus den Waldgebieten des Nordens hoffte Falkenwind, das Fehlen der noch im Südland befindlichen Truppen auszugleichen. Falkenwind bedauerte, dass er Tolchin gegenüber nicht stärkere Einwände geltend gemacht hatte; die Armee war nicht zum Schutz von Karawanen bestimmt. Ein kleines Kontingent von Begleitern hätte genügt.
Seine eigene Unerfahrenheit machte Falkenwind zornig: Evirae und Kiorte waren immer noch nicht da, aber seine Vertrauensleute hatten auch keinen Beweis für die Anwesenheit eines fandoranischen Spions gefunden. Es breiteten sich Gerüchte aus, dass er mit ihrem Verschwinden zu tun habe. Es war Wahnsinn! Zuerst der Krieg, dann der Spion, dann der Drache! An keinem dieser Probleme hatte er Schuld, aber für alle war er verantwortlich. Es war, wie Ephrion prophezeit hatte: Wenn in Simbala ein Mann hustet, ist der Monarch schuld an der Erkältung.
»Falkenwind! Was haltet Ihr von der Angelegenheit?«
Es war Vora. Falkenwind blinzelte mit den Augen. Er hatte nicht zugehört.
»Welche Angelegenheit, General?«
Jibron runzelte die Stirn. »Träumt jetzt nicht von der Rayanerin! Wir stehen vor einer Schlacht!«
Falkenwind trat an die dem Fenster gegenüberliegende Wand. In die Wand war eine große Karte von Simbala eingeritzt. Im Mittelpunkt Oberwald, ein riesiges, fast kreisrundes Gebiet; westlich davon die Gehölze, vereinzelte Bäume und Sträucher, die den größeren Bäumen der Stadt vorgelagert waren; dann das Kamerantal, eine schmale, grasbewachsene Ebene, die jetzt durch die Regenfälle des Frühjahrs feucht und neblig war. Noch weiter westlich grenzten die welligen Kameranhügel an die Küste Simbalas.
Bunte Fäden zeigten den Weg der Fandoraner an, wie er von den simbalesischen Wachposten gemeldet worden war. Falkenwind betrachtete die Fäden erneut und nahm die ungleichmäßige, im Ganzen aber genaue Route der Fandoraner durch die Hügel in Richtung Oberwald zur Kenntnis.
Sie hatten vor Betreten des Tales eine Pause eingelegt. Wenn sie weiter vordrangen, würden sie am Abend in Oberwald sein.
»Es besteht keine Veranlassung, unsere Pläne zu ändern«, sagte Falkenwind.
»Gut«, entgegnete Vora.
Jibron schüttelte den Kopf. »Die Windschiffe werden die Fandoraner nicht in Schrecken versetzen. Sie sind von zu weit her gekommen, um sich von ein paar farbigen Segeln zurücktreiben zu lassen.«
»Es ist eine Eröffnungstaktik«, sagte Vora. »Wir haben nichts zu verlieren, wenn wir es mit dem sichersten Plan zuerst versuchen. Die Fandoraner bedeuten wohl kaum eine Gefahr.«
»Wir kennen den Grund ihrer Invasion nicht«, erwiderte Jibron. »Jedes Land, das einen Drachen auf seiner Seite hat, muss …«
Falkenwind unterbrach ihn. »Ihr habt recht, General Jibron. Die Fandoraner haben uns überrascht, aber wir werden nicht noch einmal den gleichen Fehler machen. Wir werden vorsichtig sein. Wenn Thalens Windschiffvorhut die Fandoraner nicht an die Küste zurücktreibt, werden unsere Truppen den Wald vor Menschen und Drachen beschützen.«
Während Falkenwind noch sprach, ertönten von der gewundenen Treppe vor dem Raum Schritte. »König Falkenwind!«, rief ein Adjutant mit nervöser Stimme. »Baron Tolchin! Er besteht darauf, Euch zu sprechen!«
Falkenwind nickte. »Schick den Baron herauf.«
»Gut!«, sagte Jibron. »Noch ein Mann mit Erfahrung.«
Falkenwind verschränkte die Arme vor der Brust und wartete. Er hatte sich schon über die Abwesenheit des Barons gewundert. Der Baron kam herein und wandte sich sofort an Falkenwind: »Ich war bei Evirae.«
»Bei der Prinzessin? Ihr habt
Weitere Kostenlose Bücher